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Donnerstag, 27. Juni 2013

Neuformierung Europas

Aufsehen erregte Giorgio Agamben, dessen Einfluß im momentanten Philosophiediskurs hoch ist, er ist einer der meistgelesenen Autoren Europas, mit jüngst gemachten Äußerungen. Man kann über Details streiten, aber im Wesentlichen greift Agamben auf, was auch an dieser Stelle bereits vorgestellt wurde: Es hat keinen Sinn, Staaten und Völker mit unterschiedlicher Lebens- und Denkweise zusammenfassen zu wollen. Insbesondere die protestantische Lebenshaltung ist mit der katholisch-mediterranen unvereinbar. Deshalb müssen auch Wirtschaftsunionen scheitern, weil die Zielsetzungen der Menschen völlig unterschiedlich sind.

Deutschland, die USA, einige westeuropäische Länder haben eine Ethik des mechanistischen Wirtschaftsgebahrens. Über diese Kriterien gebrochen, wird es nie möglich sein, den romanisch-mediterranen Teil auf dasselbe Niveau der Wirtschaftsleistung - als oberste Maxime politischen Handelns - bringen zu wollen. Aus prinzipiellen Gründen. Der katholische Mensch hat andere Ziele. Ihm hat das Leben in seinen elementaren, alltäglichen, nicht leistungsorientierten Vollzügen selbst einen anderen Stellenwert. Er opfert nicht einfach diese Lebensart, die man als "dolce far niente" (süßes Nichtstun) bezeichnen könnte, gegen wirtschaftliche Höchstleistung, Wohlstand ist ihm nicht oberste Maxime. Auch hat ihm die Kirche, die Religion einen anderen Stellenwert. Während der Powerkapitalismus Europas und vor allem Deutschlands eine völlige Ausgrenzung dieser inneren Lebenswerte verlangt.

Agamben schlägt deshalb eine neue Zusammenstellung der Machtblöcke vor, die im wesentlichen entlang der Religionslinien verlaufen: Orthodoxie (mit den slawisch-osteuropäischen Ländern), Protestantismus (mit der Achse Deutschland-USA), Katholizismus (mit den Kernländern Spanien-Frankreich-Italien). In der derzeitigen Konstellation wird Europa von der deutschen Wirtschaftsmaschinerie, an die anzupassen alle übrigen Staaten gezwungen sind, wie überrollt.

Diese Ideen sind nicht neu, und der Italiener Agamben ist mit solchen Deutungen auch nicht alleine. Auch Bernard-Henry Levy, einer der einflußreichsten Intellektuellen Frankreichs, in der Stellung (nicht aber inhaltlich, Levy ist "nicht-links") Sartre vergleichbar, hat sich im Vorjahr geäußert, daß Europa seine Seele verliert. Schon unmittelbar nach 1945 wurde von Leuten wie Alexandre Kojève darauf hingewiesen, was passieren wird, wenn sich Europa der deutschen Wirtschaftsethik angleicht.

Der Verfasser dieser Zeilen erlaubt sich u. a. auf die hier veröffentlichten Artikel vom Jänner d. J.  in Teil 1 und Teil 2 hinzuweisen, in denen er eine neue Gliederung Europas vorschlägt, die er als unausweichlich sieht, will man nicht einen katastropischen Zerfall Europas, auf den alles hinläuft, riskieren. Im wenigsten möge der geneigte Leser diesen Hinweis als Beleg dafür sehen, daß diese Ideen nicht solitäre Spinnereien sind, sondern gewissermaßen in der Luft liegen.




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