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Montag, 17. Juni 2013

Versicherung, nicht Solidarität

Aus 2010) Eine Schweizer Untersuchung brachte zutage, daß der vom Staat beanspruchte Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 45 Prozent im Jahre 1990 auf 54 Prozent im Jahre 2005 gestiegen ist. Dabei konzetnriert sich der Staat - etwas überraschend - weniger auf die Verteilung zwischen Haushalten und Schichten, sondern greift vor allem in die Verteilung der Einkommen innerhalb eines Haushaltes ein, indem er u. a. das Lebenseinkommen glättet. Aus einer Solidargemeinschaft wurde und wird so zunehmend eine Gesellschaft der Versicherten, die sich gegen Einnahmenausfälle absichern.

Die intertemporären (und gesellschaftspolitisch motivierten) Umverteilungen sind mittlerweile größer als die Transfers zwischen den Haushalten.

[Dies entspricht der Erfahrung eines mehrfachen Familienvaters, der um seine Familie zu erhalten natürlich entsprechendes Einkommen generieren muß, dem aber anderseits hohe Steuer- und Sozialleistungen gegenüberstehen. Die er postwendend wieder als Förderung und Stützung beantragen muß, worauf der Staat sie, in emanzipatorischer Absicht, auch zwischen Mann und Frau (zugunsten der Frau) neu verteilt; Anm.]

Dort, wo klassische Umverteilung als Transfer von Haushalten zu Haushalten herrscht, läßt sich feststellen, daß es zu massiver Umverteilung aus Einkommen von "Vielleistern" (mit mehr als 90 % der üblichen Wochenstunden) zu "Wenigleistern" (mit weniger als 50 % der üblichen Wochenstundenleistung) kommt - was in erster Linie auf den hohen Anteil an Früh- und Teilrentnern in dieser Kategorie zurückzuführen ist.

Insgesamt, so die Studienautorin, führe diese massive Einmischung des Staates zu einer Nivellierung der Lebensentwürfe auch innerhalb einer Lebenskurve. Die Ursachen für solche Verschiebungen, die ein ganz neues Bild von Umverteilung ergeben als man aus dem klassenkämpferischen Ansatz solcher Nivellierung erwarten würde, sind wohl in gesellschaftspolitisch veränderten Ansätzen, in den Wechseln der Parameter zu suchen. Als klassisches Armutsbekämpfungsmittel aber scheint sich Umverteilung verabschiedet zu haben.

Für dieses Ergebnis gibt es viele Gründe. So erbringt der Staat Leistungen, die alle im Verlauf ihres Lebens irgendwann in Anspruch nehmen. Das System der sozialen Sicherheit ist überdies mehr vom Versicherungs- als vom Solidaritätsprinzip geprägt. Zudem schont es mit der stark auf Erwerbseinkommen ausgerichteten Beitragsstruktur die vermögenderen Haushalte mit relativ hohen Kapitaleinkommen. Beim Steuersystem stehen den progressiven Einkommens- und Vermögenssteuern gegenläufige Wirkungen anderer Steuern gegenüber. Ferner bestehen Steuersparmöglichkeiten, die primär obere Einkommen entlasten, z. B. das überobligatorische Sparen in der 2. Säule.

Zu viel des Guten?

Die hohen Versicherungsleistungen im Alter nähren den Verdacht, dass der Staat «zu viel des Guten» tut: Wenn der Lebensstandard mit der Pensionierung ansteigt oder Haushalte, die selber wenig Einkommen generieren (können), nach Transfers besser dastehen als Haushalte mit höheren Vor-Transfer-Einkommen, weist dies darauf hin, dass Einkommensrisiken überversichert sind. Dies ist nicht nur hinsichtlich negativer Arbeitsanreize problematisch, sondern auch deswegen, weil der einzelne Haushalt in der freien Bestimmung seines Einkommenspfads übermässig eingeschränkt wird. Der transferierende Staat senkt die Zahl der wählbaren Lebensentwürfe – das ist letztlich der Preis, der für die Sicherung des Lebensstandards bezahlt werden muss.




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