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Sonntag, 4. August 2013

Bewußtlose Empfindungen

Geistige Akte und Empfindungen als vitale Prozesse ineinander verfließen zu lassen, nicht mehr zu unterscheiden, schreibt Melchior Palágyi in seiner "Wahrnehmungslehre", ist einer der Hauptgründe für die völlige Begriffsverwirrung, die in der gegenwärtigen Psychologie wie Philosophie, ja bis in die Kunst hinein, herrscht. Ausgehend von Descartes, über den als Gegen- wie Miteinanderreaktion entstandenen englischen Sensualismus (Hume, Locke, Berkeley), wurde den Materialisten das menschliche Empfinden zum geistigen Akt selbst, und damit ein bloß materiell-physiologisches Wirkgeschehen, während es die Idealisten zum Panpsychismus und Pantheismus treibt, wo die Materie selbst zur belanglosen Verfleischlichung des Geistes wird, es überhaupt keine Materie gibt, weil es nur gibt, was in unserem Bewußtsein vorhanden ist.

Dieser Impressionismus zeigt sich auch in der Kunst, die die konkrete Welt leugnet, und sie nur noch als innere Empfindensprozesse darstellt, die auf "irgendeine" (logisch gar nicht aufklärbare) Weise auch Geist "sein" sollen.

Besonders der Begriff des Bewußtseins - und Palágyi zeigt die Zusammenhänge - leidet unter völliger Verschwommenheit. Ihm werden Prozesse eingeschrieben, Vorgänge und Mechanismen, die auf einer Wörtlichnahme von Metaphorik beruhen. Einem beliebten Ausweg, Denkprozesse "ökonomischer" zu gestalten, heißt: sie zu ersparen. Wer sich aber einmal daran gewöhnt hat, von Prozessen innerhalb des Bewußtseins zu sprechen, dem wird es kaum noch gelingen, sich von dieser irrigen und verworrenen Ansicht freizumachen.

Empfindungen sind vitale Prozesse, und sie sind vorhanden, auch wenn sie uns nicht bewußt werden. Denn das Bewußte ist ein je geistiger Akt, aber diese Akte sind gesetzt, punktuell, und niemals kann uns alles bewußt sein, was an vitalen Prozessen, die kontinuierlich verlaufen, in unserer Physis abläuft. Ja, bewußte Akte sind wohl eng mit den vitalen Prozessen verbunden, aber sie können in ihrer Häufigkeit variieren, oder sogar ausfallen, wie der Schlaf zeigt.

Auch sind Empfindungen keineswegs "klar" und bestimmbar, sondern immer ein komplexes Miteinander unterschiedlichster Empfindungen. Zudem werden wir uns in geistigen Akten keineswegs aller Empfindungen bewußt, das ist gar nicht möglich, nur punktuell. Das einzig klare sind die geistigen Akte, die diese Empfindungen verbinden, und zwar aus ihren Bezügen auf unterschiedliche vitale und Bewegungsprozesse (Räumlichkeit). 

Empfindungsprozesse sind per se aber nicht bewußtseinsimmanent, und schon gar nicht "sind" sie unser Bewußtsein. Vielmehr wenden wir uns ihnen in geistigen Akten zu (oder nicht). Andernfalls wäre uns Trandzendenz - Verweis auf etwas, das außerhalb unseres Bewußtseins steht - gar nicht denkbar.

Es ist, schreibt Palágyi, regelrecht kindisch, sich das Bewußtsein wie einen Magen vorzustellen, in dem alle möglichen Ingredienzien aus Empfindungen (die sogar zu Vorstellungen, Ideen umbenannt werden) um dort allerhand chemische-geistigen Prozessen unterwofe zu werden. Das mag eine gelungene Metapher sein, aber es ist kein reales Geschehen.

Weder haben Empfindungen oder Empfindungsvorgänge "ideale Natur", noch sind sie bewußtseinsimmanent. Dies zu denken führt unweigerlich zu einer Auflösung der Wirklichkeit, weil Wirklichkeit  oder Realität nicht bewußtseinsimmanenten Charakter haben kann, sondern "außerhalb" liegt.




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