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Donnerstag, 8. August 2013

Zeitalter des Marxismus

Die Selbstentfremdung des Menschen und das sie zu heilen suchende Unternehmen der Wiederaneignung der Welt - das ist der Grundgedanke von Karl Marx, mit dem er heute noch immer weiter siegreich vordringt, schreibt Jakob Hommes in "Der technische Eros". Ja, diese hegelianisch-marxistische Vorstellung kann heute mit Fug und Recht als die geistige Grundlage der Gegenwart gesehen werden, die auch vor der Theologie und Philosophie nicht Halt gemacht hat.

Wenn die Welt der in der Dialektik zu sich kommende Ort des absoluten Geistes ist, der im Menschen jeweils nur als Aspekt (der Weltvernunft) zu sich kommt, so ist der Ort der Geschichte auch der, in der sich der Mensch selbst findet. Und in diesem Selbstfinden - im Vollzug an der Welt, in der Arbeit - wird er selbst mehr und mehr absoluter Geist = Gott, als die Summe aller Menschen gewissermaßen: Kollektivismus, aufgehen in dem "einen Menschen", den alle Menschen zusammen darstellen, und damit: Gott. 

Diese Strömung des 19. Jhds., entstiegen aus einer Selbstbefindlichkeit des Menschen, ist im 20. Jhd. zur vollen Blüte gelangt, als sich der Mensch einer Welt gegenübersah, in der er sich (nach dem endgültigen Zerbrechen der alten gesellschaftlichen Gefügtheiten) nicht mehr heimisch fühlte. Und sie bestimmt unsere heutige Welt in einem Ausmaß, das einem selten wirklich bewußt wird. Geistige Haltungen, die an sich nicht neu sind, die sich über Jahrhunderte aufgebaut haben, und sich bis hinein in die Gnostik und die Esoterik, aber auch die Politik und die Theologie (s. u. a. Teilhardismus, "Neue Theologie") entfaltet haben. So, wie sich die Dinge derzeit darstellen, inmitten all der Katastrophenszenarios, die wir aufbauen, stehen wir sogar vor einem regelrechten weiteren Durchbruch dieser Anschauungen. Die angebliche Beendigung des Kommunismus war nur ein Scheingefecht mit einem Scheinsieg. Die wirkliche geistige Grundlage ist längst allgemein, und hat sich nicht an West- und Ost-Schemata gehalten.

Marxens Überlegungen, wie das Menschenwesen aus seiner Selbstentzweiung herausgeführt werden und zur Wiederversöhnung mit sich selbst kommen könne, nähren sich aus einem uralten mystischen, ja ersatzreligiösen Traum der Menschheit. In der Feststellung, daß der Mensch in der gewöhnlichen Form seines Daseins sich selbst entfremdet sei, äußert sich offenbasr eine leidenschaftliche Auflehnung des Menschengegen die Gegebenheiten des Daseins. Diese will er überspringen, denn sie erscheinen ihm als ein lähmender Bann, mit dem sich die gegenständliche Welt auf sein Inneres legt - ein Bann, den er zu brechen sich aufmacht, um in den reinen, ungetrübten Besitz seiner selbst zurückzukehren.

Zweifellos geht dem Menschen an dieser Stelle die Ahnung von einem dunklen Geheimnis seines Daseins auf, die für das natürliche Denken nicht erklärbare Zwiespältigkeit und Widersprüchlichkeit seines eigenen Strebens und Wollens. Aber es ist nicht nur das Gefühl für die eigene Brüchigkeit, das bei der dialektischen "Selbstermannung" im Menschen wirksam ist. 

Aus jener Feststellung des Menschen, in der gewöhnlichen Form seiner auf die gegenständliche Welt gerichteten Beziehung sei er sich selbst entfremdet, und aus der daraus gezogenen Folgerung, er müsse sich in das Eigentliche der gegenständlichen Welt wie in eine Stätte der Zuflucht zurückschwingen, spricht offenbar doch auch der titanische und vermessene Sinn, unbedingt nur sich selbst gehören und auf sich selbst stehen zu wollen. (Hommes)

Denn in der dialektischen Methode will der Mensch in der Welt sich selbst wiederfinden. Er macht die Mitte seines Daseins zur Mitte der Welt. Welt und Mensch wird eins. Geht der Mensch in sich, geht er in das Innere der Welt. Der Andere wird nur noch zum "anderen seiner selbst".

Darin steckt natürlich ein gehöriger Funke Wahrheit, der allerdings nicht neu ist. Aber er wird und wurde überzogen, die Selbsteinheitlichkeit des Menschen weil zu wenig klar in seinen Grenzen gesehen übersteigert, und das führt zu einer ebenso verführerischen wie aber auch zerstörerischen Fehltheorie und Fehlpraxis des Daseins. Wir werden die genauen Zusammenhänge an dieser Stelle gewiß noch weiter ausgeführt bekommen.

Bei Marx wird nämlich der Mensch erst durch die Arbeit (an der Natur) überhaupt  Mensch, und in dieser Bearbeitung der Natur wird die Natur selbst zum Teil des Menschen. Aber er verkennt, daß im Arbeits- und Selbstwirklichungsprozeß Natur und Mensch je ihr eigenes Wesen behalten (weil zuvor haben). Produkte sind für Marx lediglich die von der Geschichte erzeugte Natur. Die Welt ist damit nur noch Produktion und Handel. Die Natur ist nicht mehr mehr als der stoffliche Grund der Menschwerdung einer industriellen Welt. Menschliche Kultur ist damit die aus Produktion und Handel zu sich selbst aufstehende Natur, im Menschen. Die Kultur gründet damit nicht in der Natur, sondern in sich selbst. Naturwissenschaft wird zur bloßen Beherrschung und Aneignung dieser Materialqualität der Natur, und damit steht auch der Mensch unter ihr, weil die Wissenschaft seine Arbeit leitet. Das Vorgefundene, Begegnende der Natur, ja alles Seiende schlechthin wird damit in seinem Eigensein negiert, es ist nur, was der Mensch daraus macht. (Und auch darin steckt ja eine gehörige Portion Wahrheit, die bei Marx aber zum Monismus wird.)




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