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Mittwoch, 28. August 2013

Rückfall in den Krieg (1)

(Ein ungefähr bleibender Versuch)

Sie ist so nebenbei mit unter die Räder gekommen. In einem Raum der ungeregelten Beziehungen, und das heißt der Unverbindlichkeit von Formen und Gestalten, wo bestenfalls Nutzenabwägung und Funktionalität das Wie des Zueinander bestimmt, hat die simple Höflichkeit keinen Platz mehr.

Sie wird sogar zur Schwäche. Und reiht sich damit in die Phänomene des Kampfes ein, zu dem soziale Beziehungen geworden sind. Denn in geschwächter, unklarer Identität wird soziale Beziehung zum pausenlosen Kampf. Wer da höflich bleibt, wer sich da auf die Sachlichkeit von Beziehungsregeln und Aussagen - Kommunikation - selbst transzendiert, unterliegt. Denn er öffnet seine Bereitschaft, nicht Vorteil und Nutzen zu kalkulieren, dem Zugriff des anderen.

Dabei kalkuliert man mit der Gebundenheit jedes Menschen an diese Sachlichkeit, in die hinein jede soziale Beziehung in ihrem Wesen gebunden liegt, aus der alleine ihr Wesen sich erschließt. Denn darum weiß jeder, auch der Unhöfliche, der um seinen Vorteil Bedachte. Weshalb er Gründe sucht und findet, seine Höflichkeit hintanhalten zu können. Nicht mehr im Fleisch, in der Gestalt eingegliedert in eine Ordnung, wird aber diese sachliche Ebene (vorgeblich) durch beliebige Gerechtigkeitsdefinition neu definiert, ja erfunden. 

Dann wird alles am anderen zu dessen bloßer Schuldigkeit, fern von jedem Verdienst, fern von jener Wahrheit, daß das Wesentliche des Menschen in seinem Dasein liegt, nicht in seiner dezidiert "moralischen" Handlung. Denn das Gut der Dinge erschließt sich aus ihrem Sein. Und das Versagen im Verhalten des anderen, so denn eines vorliegt, ist nicht der Maßstab, um ihn zu beurteilen - sondern die Stellung, die er in der Gesamtordnung der Welt (auch im Verhältnis zu einem) hat. Die kein Fehlverhalten substantiell berühren kann.

Man spielt damit schizoid mit dem Aussagecharakter des formalen Aktes selbst, der die sachliche Beziehung zu jedem  Menschen kennzeichnet, unter Verweis auf die Irrelevanz solcher formaler Beziehungen. Oder verzichtet auf diese Höflichkeit, die sich auf quasi metaphysische Konstellationen, auf die allem unterliegende Geiststruktur der Wirklichkeit und Welt bezieht, und nur auf diese bezogen kann man überhaupt von richtigem Handeln sprechen, unter Hinweis auf funktionale Mängel egal aus welchen Titeln und Bereichen.

Es ist dann wie in jenem Gleichnis, in dem es um die verdammenswerte Haltung geht, die Opferhandlung des Anderen ohnehin zu dessen Pflicht zu machen, zum "Korban" zu erklären, zum Gottesopfer, das einen selbst jeder Verbindlichkeit entledigt.

Der Höfliche befindet sich im Nachteil, und er setzt diesen Nachteil ja sogar bewußt, macht sich selbst zur Gabe. Im Vertrauen, daß der andere ihn nicht schändlich nützt, sich auf seine Kosten überhebt, einen Vorteil daraus schlägt. Wenn der Höfliche dies nicht bewußt zu tragen vermag, wenn auch er zu kalkulieren beginnt, wird er rasch aufgeben. Weil der andere bewußt den Rahmen nicht achtet, und den sachlichen Akt der Höflichkeit zu einem persönlichen Akt der Demütigung umwendet. Höflichkeit ohne Demut, ohne Kreuzesbereitschaft, ist also unmöglich. Und das heißt erst, den anderen zu ertragen, gerade indem man seine Formalakte ernstnimmt, in ihrer Sachlichkeit, und beantwortet, sich diesem sachlichen Rahmen gemäß verhält, allen Gefühlen zum Trotz, in einem sachlich verankerten, stabilen Akt des Wohlwollens, das sein Gut will, nicht seine Vernichtung, nicht seine Verzweckung.



Teil 2 morgen) Beziehungen müssen gesetzt werden, 
sie entstehen nicht zufällig





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