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Mittwoch, 28. August 2013

Hausinterna der Königshäuser

Im alten germanischen Königsrecht (von deutsch spricht im Mittelalter niemand, das Wort ist unbekannt) steht der König als "abstraktes" Vorsitzamt den Stämmen gegenüber. Und er tut es als vorsitzender eines Hauses. Königtum ist nicht an die Person gebunden. Es ist eine Frage des Hauses, dessen Vorsitzender damit auch König ist. Niemals, schreibt Rosenstock-Huessy (und er weist es überzeugend nach) ist diese Gebundenheit je bezweifelt worden. Nur wenn der König in seiner leiblichen Nachfolge über einen Sohn zweifelhaft war, und damit sein Haus, war die Königsmacht zweifelhaft. Kein Fürst hat das je angefochten. Es war lebendiges Recht.

Damit war auch die Regelung der Nachfolge eine hausinterne (!) Angelegenheit des Königshauses. Auch das war rechtlich nie angefochten. Und der König mußte seinen Nachfolger zu Lebzeiten bestimmen. Was er darin tat, als er einen Sohn auswählte, der von nun an auf dem Schemel seines Hochstuhls Platz nehmen durfte oder sollte. Als Zeichen der Kontinuität.

Dem Volksrecht völlig gleichgültig war auch die Salbung oder priesterliche Einführung des Königs. Es war in doppeltem Sinn eine hausinterne Angelegenheit: Einmal wegen des erwähnten Umstands, und dann, weil bis zum Investiturstreit die Bischöfe und Kleriker Beamte des königlichen Hauses waren! Sie hatten keinerlei rechtlich selbständige Position innerhalb des Volkes! Was der König ihnen also zuerkannte, an Gütern, an Aufgaben, an Positionen, waren rein hausinterne Angelegenheiten.

Das betrifft sämtliche Angehörige des königlichen Hauses, sämtliche Beamte. Und diese hausinterne Stellung wurde durch das Lehnswesen geregelt! Niemals hätte sich ein Außenstehender in diese Angelegenheiten eingemischt. Es gab kein Volksrecht dafür. Nur - Hausrecht. Die Thronfolge war eine hausinterne Angelegenheit. Der König wählte den unter seinen Söhnen, den er für den geeignetsten hielt. Eine Reihenfolge nach dem Alter gab es da nicht. Und er wählte meist früh, um Probleme zu vermeiden: unmündige Thronfolger waren häufig. Wurden sie in den Stand des Thronfolgers gehoben, wurde dies (wieder: hasuintern) durch Zeremonien dargestellt und damit gestalthaft gemacht, für die Hausmitglieder (mitsamt Hofadel und Klerus) gesetzt. Er wurde auf den Schemel gezogen bzw. geholt.

Alle anderen Söhne waren keine Könige. Sie hätten ein eigenes Haus dafür gründen müssen. Und dieses Haus wiederum war nur aus dem Stamm heraus begreifbar: Nicht das Individuum war im Außenverhältnis rechtsfähig, sondern das Haus in einem Stamm und dessen Recht. Das Herrschertum selbst war ja an einen Stamm gebunden: bei den Germanen den der Franken, dem Herrschervolk über die unterworfenen Völker. Und in diesen wiederum bevorzugt an den Teilstamm der Salier. Daß es mit deren Erlöschen auf die Sachsen überging, zeigt bereits grundlegende Erschütterungen.

Kärntner Herzogsstuhl am Zollfeld
Dem kam es auf die sehr reale rituelle Besitzergreifung des Königsstuhles an. Wie sehr von der Person zu abstrahieren die Königswürde war, drückt etwa der Herzogsstuhl am Zollfeld in der Nähe von Klagenfurt aus, wo etwa ab der Mitte des 9. Jhds. die Krönungen der Kärntner Herzöge stattfanden. Aus dem Schemel wurde nach und nach eine Stufe. Das Aufstehen von diesem Schemel, und der Gang zum Thronstuhl, welches auf ein germanisches Krönungsritual zurückgeht, alles das im Rahmen eines "Erbmahls" ("Totenschmaus", denn diese Thronergreifung - binnen 30 Tagen in Deutschland - hing ja mit dem Tod des Vorfahren zusammen), wurde später fixer Bestandteil der Königskrönungen nicht nur in Deutschland, in der einen oder anderen ähnlichen Form ist er auf der ganzen Welt nachweisbar. Wer sich an liturgische Abläufe in der katholischen Hl. Messe erinnert fühlt, möge dies tun.

Auch die Salbung fällt darunter: sie war eine hausinterne Angelegenheit, durchgeführt durch einen Bischof, der ein Hausbeamter war, dem König selbst unterstellt. Für die Geltung im Volk war sie rein rechtlich gesehen deshalb belanglos, wenn auch zunehmend von (aber anders gearteter) Bedeutung. Der Klerus hatte keinerlei Stellung in der Volksordnung selbst. Was also ab  dem 11. Jhd. einsetzte, war ein Kampf der Kirche gegen die Umklammerung durch die weltliche Macht. Rom als Papstsitz war ja zu dieser Zeit kulturell und politisch bedeutungslos weil in den vorangegangenen Jahrhunderten völlig heruntergekommen.

Ein Verlust der Königswürde außerhalb des Erlöschens mangels leiblichem Nachkommen gab es ja viel rascher, als uns heute erscheinen mag. War der König ungerecht, verstieß er - in seiner Außenhandlung - gegen das Volksrecht, verlor das Haus (!) im Beschluß der jeweiligen Stammesherzöge (die an sich wieder Könige waren) die Königswürde. DANN wurde neu gewählt. Und hier setzt die Bedeutung des religiösen Elements ein. Sie hat später viel Unruhe gestiftet, denn rein rechtlich war auch ein gebannter König - König. Das hätte niemand je bezweifelt. War er aber dann noch gerecht?

Damit fällt auch das Erbrecht und das Nachfolgerecht auseinander. Denn Erbe war jeder leibliche Nachkomme bzw. auch jeder Hausangehörige. Erbe war an sich Aufteilung. Das Königtum aber war unteilbar. Hier gibt es keine "Erbfolge", diese Begriffsverwirrung hat sich erst später eingeschlichen, als die Dinge sich durch immer komplexere Lehensrechte (also hausinterne Regelungen), aber auch durch zahlreiche Rechtsbrüche und deren Folgen verkomplizierten. Hier gibt es nur "Bescheidung" (designatio) durch den König.

Je mehr die Königswürde von der leiblichen Nachfolge später abrückt, desto mehr muß sie "ersessen" werden. Zwei, oder drei Tage lang mußte der Herrscher am Königsstuhl sitzen. Der "Busen" (die leibliche Nachfolge) besitzt, jeder andere ersitzt.

Rosenstock-Huessy räumt eben auch mit dem Irrtum auf, daß der König immer gewählt worden wäre. Dem war nicht so, das kam erst später. Zahlungen, die u. a. als Beleg dafür angeführt werden, hatten nie - nicht im Mittelalter - diesen Charakter der "Bestechung", der Gefügigmachung, sondern waren völlig normale "Bezahlungen", weil jede Seite ihre Pflicht erfüllt hatte, wie sie sich aus der unbestrittenen Rechtslage ergab. Das Recht der Königsnachfolge in einem einmal erwählten Haus hätte niemand je bestritten. Es war in seiner Struktur ja nicht "Sonderrecht", sondern regelte jedes Haus, jede Familie, das Leben der germanischen Stämme und Völker überhaupt.

Erst nach und nach, mit dem späten Mittelalter, der Neuzeit, wanderte die Königswürde vom Haus weg - und der König wird zunehmend gewählt. Und löst sich damit von Haus und Stamm, wird ein ursprünglicher, nicht aus seinem Haus abgeleiteter Erwerb jedes Herrschers. Die Königswürde rutscht gewissermaßen nach und nach in die faktische, individuelle Person des Herrschers ab.




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