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Montag, 5. August 2013

Fundamentale Kehrtwendung (2)

 Teil 2) Gewußt wird nur, wessen man mächtig ist




Die alte teleologische Sicht war einfach ... nutzlos. Also gab man sie auf, und tat es in immer rascherem Tempo - weil es sich lohnte. Dabei wurde die Finalität der Naturprozesse (die sämtlich auf ein Ziel zusteuern, das ihnen bereits vorausgeht) vorerst noch gar nicht geleugnet. Aber das "erklärte nur", es brachte keinen Nutzen, brachte keine nutzbare Reproduzierbarkeit. Daß im biologischen Bereich Naturgegenstände von sich aus auf etwas aus sein könnten war der Sicht der Beherrschbarkeit der Welt nur hinderlich.

Es ist wesentlich sich vor Augen zu halten, daß dies eine fundamentale Kehrtwendung durch eine von Einzelnen getragene Vorentscheidung darstellt, die lediglich auf fruchtbaren Boden fiel, weil sie so viel Nutzen versprach.** Die uns Heutigen noch so natürlich und richtig vorkommt, und die sich erst nach und nach, aber durch Brachialgewalt, gegen das alte Konzept der Teleologie durchsetzte, die sich zäh und lange hielt. Eine Vorentscheidung, über deren Sinn man nur diskutieren kann, wenn man bereit ist, über die Metaphysik, über das Wesen der Welt, und über Erkenntnis zu diskutieren, das sich in dieser Vorentscheidung verbirgt. 

Als eigentümlicher Wille zur Macht, der sich im 16. und 17. Jahrhundert in der Mathematik und den Naturwissenschaften durchzusetzen begann. War man mit Experiment und induktiven Methoden hinter das Geheimnis von Prozessen gekommen, war ein Gott - der universale Techniker - entbehrlich. Der Mensch konnte nun seine Ideen nachvollziehen und in die Tat umsetzen. Wobei: KÖNNEN tut er es ja gar nicht, aber es SCHEINT ihm so.

Die Physik des 20. Jahrhunderts brachte hier auch einen nächsten entscheidenden Umschwung. Denn ihre Ergebnisse zwangen zu einem Neudenken der Sicht der Welt, die sich wesentlich der vormechanistischen Zeit, ja sogar der aristotelischen Metaphysik wieder annähert. Bis sich das freilich ins "Volksbewußtsein" durchgesetzt hat, werden weitere Jahrhunderte vergehen. Heute ist aus dem Nutzen, den wir in biologischen Organen AUCH erkennen, aus der techné-analogie, TECHNIK geworden. Der Mensch wurde zur Maschine, und die Seele, die Psyche zu mechanistischen Vorgängen.

Nicht mehr die Dinge sind aus sich heraus auf etwas aus, sondern alles ist Mittel zum Zweck (Gottes), nur der war auf etwas aus. Und baute deshalb aus (mathematisch nachvollziehbaren) Gesetzen (zufällig so und so seiende) Maschinen. Wer die Gesetze einhielt, handelte also dem göttlichen Willen gemäß. Die Dinge selbst aber waren an sich wertlos, die Natur löst sich in Notwendigkeiten mechanischer Prozesse auf, ein Begriff "Leben" wird sinnlos.

Die Einführung des Begriffs des "unendlich Kleinen" in die Mathematik (Infinitesimalrechnung; Leibniz) löst auch die Bewegung in unendlich kleine (aber noch bestehende!) Mechanik auf.***


**Natürlich haben auch in der Antike und im Mittelalter viele Menschen im realen Alltag "technizistisch" gelebt, die Welt lediglich für ihre Zwecke benützt. Das gab es immer. Aber nun wechselte der theoretische Horizont - dieses Verhalten wurde zur Norm, wurde gerechtfertigt. Der Mensch, der die Gesetze der Welt beherrschte, war damit Gott gleich, und so verhielt er sich dann auch: Er waltete mit der Welt, wie es ihm gefiel. Die Welt selbst hatte keine Qualitäten mehr, sie war nur eine Ansammlung von Funktionen, deren Qualität war, was er daraus machte. Der Techniker, bis in die Gegenwart, versteht sich als Gott. Ihn schränkt nur ein, was seinen technischen Erfolg gefährdet. Sämtliche Weltanschauungen des 19. Jahrhunderts, wo diese Haltung allgemein wurde und den Boden für die technisch-mechanistische Gegenwart aufbereiteten, gründen darin. Daß das fernöstlichen "Religionen" - mit ihren Techniken der Selbsterlösung - aber auch Evolutionismus und Moralismus den Boden bereitet hat, ist nur ein Nebeneffekt. Und die Motivik der Grünbewegungen von heute zeigt exakt dieselbe Struktur: Die Notwendigkeit die Natur zu schützen ist eine technische Notwendigkeit des "Überlebens". Weiter geht sie auch nicht. Damit wird Technik zur Magie - als gegen alles Übel erlösende Bannkraft gegen alles Unheimliche, Unbeherrschbare, zu der man nur die Formel kennen muß. Und daran glauben auch die Menschen: sie glauben, daß die Technik gegen alles "ein Kraut finden" wird. Das Ausmaß, in dem die heutige Technikgläubigkeit auf Zukunftshoffnungen baut, die sich seltsamerweise immer weiter verschieben, immer vielfältiger werden, ist uns gar nicht mehr bewußt.

***In Wirklichkeit, schreibt Spaemann dazu, löst sich jede Eigenbewegung eines Gegenstandes damit auf. Sie verlagert sich aus dem Naturgegenstand in das ... eigene Gehirn.





*050813*