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Donnerstag, 29. August 2013

Rückfall in den Krieg (2)

 Teil 2) Beziehungen müssen gesetzt werden, 
sie entstehen nicht zufällig





Die Beziehung wird zur kurzsichtigen Kalkulation. Denn der Nicht-Höfliche beweist, daß ihm nicht der Geist Anhaltepunkt ist, sondern sein faktischer So-Zustand. Aber alles, was wird, wird nur aus Geist. Verläßlichkeit kann sich damit gar nicht mehr einstellen. 

Während das Halten in Unbestimmtheit, das dies in Wahrheit ist, und das ist ja auch die Grundhaltung, sichtbarstes Zeichen der Mutlosigkeit zur freien menschlichen Tat, die dahinter steht, als Haltung der Zeit, die Gestaltungsmöglichkeit von Beziehungen und Kommunikation überhaupt auflöst. Jeder Akt könnte dann alles sein, und nichts. Und man selbst bleibt immer posthoc uminterpretierbar. Vermeintlich, nachdem man gesehen hat, was herauskommt. In Wahrheit sieht man gar nichts, weil nur das Setzen eines geistigen Aktes, eine Art Versprechen das man einander ist, durch diese formalen und formalisierten Beziehungen, solchen überhaupt erst möglich macht und entstehen läßt.*

Gleichzeitig wird Höflichkeit immer öfter mißdeutet, aus derselben Logik. Aus Mangel an dieser Sachlichkeit, die Dinge als formales Spiel betrachtet, die einfach das Zueinander befriedet weil in Zaum hält, sodaß in gewissem und jeweils sachlich definiertem oder definierbarem Rahmen von jedem gewisse Verläßlichkeiten anzunehmen zulässig ist, wird sie von anderen zu persönlich gedeutet. Die Frau, der man die Türe offenhält, der man freundlich zulächelt, nimmt dies zunehmend als Akt einer persönlichen Nähe, die nie gewollt oder gegeben war. Sodaß es im entstehenden Mißverständnis oft gar schwer wird, diese Sachlichkeit wieder herzustellen - und höflich zu bleiben. 

Deshalb versiegen im Mangel an Höflichkeit auch alle Beziehungen. Denn sie bleiben auf der Ebene der momenthaften Befindlichkeit, und damit nicht in die Sachlichkeit transzendiert. Damit verlieren sie ihre Dauerhaftigkeit. Nicht mehr die Beziehungen sind es dann, die prägen und gestalten, sondern die momenthaften Launen und Stimmungen, die damit mehr und mehr ausdünnen und sich verlieren. Sie bleiben in der Luft, stellen keine Substanz dar, auf der ein Leben und Verhalten aufzubauen wäre, und damit den Grund für eine Persönlichkeit überhaupt geben. Man nimmt damit jeder Beziehung ihre Regenerationsfähigkeit, wenn der Moment der Euphorie, der gefühlsmäßigen Aufgebauschtheit, vorüber ist, im Zustimmenden wie im Ablehnenden.

Regeln einfach einzuhalten, weil sie Regeln sind, weil sie das Zueinander in einer gewissen schwebenden, neutralen Ordnung halten, damit den anderen als gleichberechtigten Partner des öffentlichen Verkehrs, weil als Teil des Kosmos zu sehen - Briefe zu beantworten als Pflicht zu sehen, gewisse Fest- und Feiertage auch des anderen als "Anlaß" zu sehen, auf den wenigstens in einem formalen Mindestakt einzugehen ist, etc. - kommt längst aus dem Gebrauch. Die Beziehungen zu anderen Menschen geraten damit nach und nach allesamt und beständig in eine "Abbruchsmentalität", schweben jeden Augenblick über dem Abgrund des Nichts.



*Das ist der große Trugschluß, der auch etwa der "Ehe auf Probe", als bloßes Zusammenleben praktiziert, das erweisen soll, ob eine Ehe auch funktionieren würde, zugrundeliegt. Denn die Ehe, als Prototyp einer formalen, der Geistnatur des Menschen entsprechenden Ordnung der Erde, kann überhaupt erst "erprobt" werden, wenn sie realisiert ist, in allen ihren Außenbeziehungen und damit Ansprüchen.