Die junge FPÖ-Politikerin Petra Steger wird in einem Interview im Standard gefragt, ob die FPÖ sich noch als die Partei des Kleinen Mannes sehe. Die Tochter des früheren FPÖ-Vorsitzenden antwortet darauf, daß das noch so sei. Da fragt der Standard nach: Und warum sei sie dann gegen Vermögenssteuern? Steger verkennt den Charakter der Frage, und antwortet damit, daß daraus der Mittelschichte die Bedrohung erwachse, ihren sauer ersparten Notgroschen zu verlieren. Aber die Frage hätte ganz anders beantwortet werden müssen.
Denn es ist eine Vorentscheidung zu meinen, die Politik "für" jemanden sei zugleich die Politik "gegen" Jemanden. Es heißt, diesen beiden in einem Gegensatz zu sehen. Mittelschichte, Reiche, Kleinermann. Stattdessen sind sie das richtige und notwendige Spektrum der Vielfalt einer Staatsgemeinschaft.
Zu meinen, für den Kleinen Mann sei man nur dann, wenn man seinen Neid auf den größeren Mann schüre und befriedige, ist damit nur dumm. Aber den kleinen Mann in seiner Lebensweise der Einfachheit und Begrenztheit auf kleineres Lebensumfeld zu schätzen und hochzuhalten - das wäre eine Politik des Kleinen Mannes.
So kommt es, daß die sogenannte Politik des Kleinen Mannes eigentlich die Aussage trifft, daß er besser kein Kleiner Mann sei und bleibe. Daß er doch dieses niedrigere Dasein hinter sich lassen, und zum Größeren und Großen Mann aufsteigen solle. Das wäre doch einmal eine Politik, die dem Kleinen Mann nicht signalisiert, daß sie sich seiner eigentlich schäme, und alles tue, um sein Dasein zu beenden.
Da paßt dann so eine in sich widersprüchliche Aussage recht gut, die Stöger gleich darauf trifft: Nicht alle haben die gleichen Voraussetzungen, aber entscheidend ist,
dass alle dieselben Chancen haben. Es gibt aber schon
Verbesserungsmöglichkeiten. Wer den Menschen die unterschiedlichen Voraussetzungen nehmen will, will ihr Dasein auslöschen weil nivellieren und für nichtig erklären. Unterschiedliche Voraussetzungen aber, eben: Unterschiedlichkeiten, bringen selbstverständlich für bestimmte Dinge schlechtere, für andere bessere Chancen. Von einer bürgerlichen Partei hätte man also deutlich mehr erwarten sollen.
Übrigens schlägt ein jüngst erschienener Artikel von Birgit Kelle in dieselbe Kerbe, auch wenn es aus den ersten Blick nicht so aussieht. Sie legt dar, daß die Politik der Kinder-Ganztagesbetreuung ein offen ausgesprochenes Ziel verfolgt: die besseren Chancen, die das Aufwachsen in einer intakten Familie mit sich bringt, zugunsten jener aufzulösen, die diese gedeihlichen Lebensbedingungen, die im wesentlichen Vorprägungen auf Stand und Identität der Herkunftsfamilie sind, nicht haben. Mit einem Wort: Chancengleichheit dadurch erreichen zu wollen, in dem sie gleich schlechte Bedingungen für alle fordert. Gerade die Nichtanerkennung des Kleinen Mannes ALS Kleiner Mann bringt mit sich, daß diese für Lern- und Ausbildungserfolge so entscheidende Prägung ALS Prägung - egal welcher Inhaltlichkeit - nur als Merkmal der "Mittel- und Oberschichte" gesehen wird. Das Elend kommt vom NICHT-sein, von den NICHT-Ständen. Nicht aus ihrer Unterschiedlichkeit.
Gerade der Verlust der Kultur der Kleinen Leute, das Nichtbegreifen, daß Ehrbarkeit nichts mit damit zu tun hat, an welcher Stelle des Gefüges einer Gesellschaft jemand steht, daß das nur die Art der Gestaltung dieser Ehrbarkeiten betrifft, ist einer der schlimmsten Verluste unserer Kultur, ihr ganzes Fundament nämlich, den wir zu beklagen haben. Und er kommt vor allem aus dem krankhaften Ehrgeiz, sie zu Großen machen zu wollen, weil sie sonst nichts oder weniger seien.
Gerade der Verlust der Kultur der Kleinen Leute, das Nichtbegreifen, daß Ehrbarkeit nichts mit damit zu tun hat, an welcher Stelle des Gefüges einer Gesellschaft jemand steht, daß das nur die Art der Gestaltung dieser Ehrbarkeiten betrifft, ist einer der schlimmsten Verluste unserer Kultur, ihr ganzes Fundament nämlich, den wir zu beklagen haben. Und er kommt vor allem aus dem krankhaften Ehrgeiz, sie zu Großen machen zu wollen, weil sie sonst nichts oder weniger seien.
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