Dieses Blog durchsuchen

Donnerstag, 1. August 2013

Techniker als Künstler

Insofern die Technik einen verborgenen, aber möglichen Wesensaspekt der Natur herausstellt, ist sie mit der Kunst eng verwandt und von ihr kaum zu trennen. Der Unterschied liegt in der Zielsetzung: Die Kunst stellt etwas heraus, um es zu betrachten, und damit mit verborgenen Zügen der Wirklichkeit zu konfrontieren, die aber die Welt tragen oder prägen. Die Technik will sie um anderer Ziele wegen nützen. Aber Kunst braucht natürlich die Technik als Beherrschung der natürlichen Gesetze ihres Materials, und darin ist sie mit der Technik gleich. Weshalb der antike Mensch "techne" und "ars" nicht unterschied. Wer nicht weiß, wie man den Pinsel führt, kann seiner Intention in der Abbildung gar nicht folgen.

Desgleichen kann die Kunst der Technik verfallen. Indem sie dieses Herausstreichen eines Wirklichkeitszuges instrumentalisiert. Etwas, indem sie es politisch einsetzt. Wer ein Kunstwerk schafft, das politisch oder ideologisch wirken und verändern soll, schafft genau kein Kunstwerk mehr.* Das ist etwas prinzipiell anderes, als das Wesen der Kunst darin zu begreifen, daß sie die Menschen im Gewirr des Alltags ihrer eigenen Lebenswurzeln und wirklichen Wirklichkeit wieder gewahr macht, sie damit zu ihrer eigenen schöpferischen Kraft zurückführt, die in den Dornen des Zweckhaften leicht ersticken.

Weshalb der Verfasser dieser Zeilen immer streng unterscheidet zwischen Verbreitung eines Werkes, und seiner Entstehung.

Nicht immer ist das Darstellen einer Wahrheit - und Kunst hat nur eine Zielsetzung: die Wahrheit - auch "gut". Denn dazu muß es bereits in einem Wirkgefüge gedacht werden, das dem Wesen der Entstehungsprozesse eines Kunstwerkes entgegenstehen. Beschränkt sich also die Verantwortung eines Künstlers auf die Wahrheit, so entsteht die soziale Verantwortung beim Verbreiter, beim Käufer, beim Verwender.

Und darin unterscheidet sich der Techniker im heutigen Sinn fundamental vom Künstler: Denn seine Zielsetzung ist direkt auf Verwendung ausgerichtet. Er bliebe Künstler, wenn sich seine Maschine nur darauf beschränkte, einen möglichen Prozeß "an sich" darzustellen. Weil sich hier zunehmend Verwendung und Technik selbst verschmelzen, haben wir es heute bereits mit Techniken zu tun, die in fortgeschrittenen Stufen bereits Verantwortungsfragen direkt berühren und mit entschieden haben. Etwa in der Genetik, oder in der Atomzertrümmerung, oder bei "apps" in der social media-Technik, oder bei jemandem, der Techniken der menschlichen Manipulation ersinnt. Hier ist Technik keineswegs mehr "neutrale Kunst".

Sinngemäß läßt sich dasselbe von der Kunst der Gegenwart sagen, die in oft erschreckendem Ausmaß Anwendungstechnik wurde. Oder was soll man von jenem kleinbürgerlichen Gehabe halten - Kleinbürgerlichkeit als technisiertes Zweckgefüge - das selbst reine Poesie, reine Kunst nur dazu benützt, ein virtuelles, aber direkt zweckgerichtetes Lebensgefühl "kulturellen Lebens" zu produzieren.

"Technik," schreibt Heinrich Beck in seiner "Philosophie der Technik", "ist etwas im Menschen; sie läßt sich definieren als die im Menschen gelegene Fähigkeit, die Natur auf seine Zwecke hin zu verändern." In diesem Sinn kann alles "technisiert", auf einen Zweck reduziert, und damit seiner selbst entrissen werden. Als Herausreißen der Dinge aus dem Sinngefüge - Technik im heutigen Sinn ist eine Antwort auf eine neu gestellte und beantwortete Sinnfrage der Welt überhaupt. Technik ist eine Frage der (wirklichen) Wirklichkeit. Sie definiert sich aus ihrem Bezug zum Menschen. (Ein Auto oder eine Vase hat aus sich heraus keinen "Sinn".)




*Das geht weit, und oft subtil. Gerade dort, wo es "gut gemeint" ist. Das Filmwerk "Leiden Christi" (M. Gibson) etwa ist als Kunstwerk von geringem Rang und banal, weil es im technisch-Naturhaften steckenbleibt, die geschilderten Vorgänge nicht in der Darstellung zu ihrer eigentlichen Wirklichkeit kristallisiert. Es informiert, aber kaum mehr, weil es das Reale des Geschehens nicht in eine höhere, seine wirkliche Wirklichkeit einfügt, diese bestenfalls "dazugeschwindelt", draufgesetzt wird. Damit wird der hohe Gegenstand, der dargestellt werden soll, nahezu mißbraucht, weil er eine Pietät fordert, die aus dem Werk selbst nicht hervorgeht: Weil es wirken soll, nicht auf die Wahrheit beschränkt bleibt. Das Erlösungswerk und Leiden Christi wird zur voyeuristischen Brutalitätsgeschichte, der Frage nach der Darstellbarkeit der Erlösung durch Leiden, die etwa in der Gotik (in überhöhter Leidensdarstellung) oft so großartig gelöst wurde, weicht der Macher aus. Ein "guter Film" ist nicht einfach eine photographische Abbildung von irgendwie Realem.




***