Wir sehen nichts, was nicht im Bereich unserer Welterfahrung liegt, die eine Ordnung des Raumes bedeutet. Das begründet Gustav Siewerth in "Die transzendentale Struktur des Raumes", und er nähert sich zwar auf ontologische Weise dem Thema, kommt aber zum selben Ergebnis wie Palágyi, der sich rein von der Wahrnehmungspsychologie (und -physiologie) her damit auseinandersetzt.
Was auch immer über unseren Sehsinn eintritt, wird sofort von unserem inneren Gemeinsinn, der auf der Welterfahrung des Tastsinnes aufbaut, in dieses Weltbild (im wahrste Sinne) eingeordnet.
Deshalb steht auch bei Dingen, die wir sehen und nicht kennen, was nichts anderes heißt als "nicht einordnen können", die sofortige Frage nach dem "Sinn" auf. Unsere Welterfahrung sagt uns, daß es nichts geben kann, das keinen Sinn, keinen Ort im Raum, keinen Bezug auf etwas anderes HAT. Umgekehrt, berichtigen wir sofort Dinge, die es so "nicht geben kann", wie eine Kerze, die verkehrtherum brennt.
Was wir aber nicht als Welterfahrung in uns haben - oder: hätten - das ist unseren Sinnen gar nicht erfaßbar. Denn nicht "das Auge" sieht, sondern der "Blick" - von innen heraus sehen wir, gewissermaßen, nicht von außen hinein. Was sich als Objekt unserem Auge (und unseren Sinnen) darbietet, kann also nur etwas aktivieren bzw. die Aktivierung (Sehen ist ein AKT) dessen anregen, das in uns bereits vorhanden ist. Deshalb ist es die Wahrheit, die uns die objektive Welt (die in all ihren Teilen durch die eine selbe Vernunft und Güte strukturiert ist, die sich im Menschen universal wiederfindet*) sehen läßt. Nicht "das Auge".
Sehen muß deshalb gelernt werden. Es hat mit der Reife des Menschen zu tun, der sich nach und nach, vom Kind an, in die Welt hinein entfaltet. Und damit seinen Blick weitet, weil er sich in die Welt hinein ausbreitet, und sie sich damit als Erfahrungsgegenstand hereinholt, die objektive Erfahrung objektiver Weltqualitäten zu benennen und zu beurteilen lernt.
Wer deshalb glaubt, daß er über die Empirie, die sinnliche Wahrnehmung der Welt diese selbst durchschauen könne, irrt grundsätzlich. Er sieht nie mehr, als er an geistiger Klar- und Wahrheit bereits in sich trägt. Die vielfach zu beobachtende Sucht nach "übersinnlicher, das gewohnte Sehbild sprengender Erfahrung" zeigt deshalb etwas ganz anderes an, als deren Träger meinen.
Wer deshalb glaubt, daß er über die Empirie, die sinnliche Wahrnehmung der Welt diese selbst durchschauen könne, irrt grundsätzlich. Er sieht nie mehr, als er an geistiger Klar- und Wahrheit bereits in sich trägt. Die vielfach zu beobachtende Sucht nach "übersinnlicher, das gewohnte Sehbild sprengender Erfahrung" zeigt deshalb etwas ganz anderes an, als deren Träger meinen.
*Es ist ein tragischer Fehlschluß des "kritischen Realismus", der meint, jeder Mensch könne aus sich heraus selbst ein vollständiges Weltbild konstruieren, in der er aus einer ihm eigenschaftslos begegnenden Welt Qualitätengefüge zusammenstellt. Siewerth zeigt, daß das unmöglich ist. Reine Quantenerlebnisse führen niemals zu Qualitäten. Kein Blinder kann eine Farbe erfinden oder "innerlich sehen". Solchem Denken wohnt eine unüberschaubare Fülle von Fehlschlüssen inne. Die Dinge HABEN objektive Qualitäten. Unsere Wahrnehmung muß sich in seinem Wahrheitsstreben danach ausstrecken, diese Qualitäten in sich aufzudecken, um an ihnen teilzuhaben, indem der Mensch geistig in dieser Welt ganz leben lernt. Die Welt ist ein Gefüge von Qualitäten.
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