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Mittwoch, 21. August 2013

Herrschaft der Frau

Man geht fehl in der Annahme zu meinen, die Frau wäre im Mittelalter - dessen Rechtsboden sich wiederum aus urdenklichen Zeiten gebildet hat - recht- und einflußlos gewesen. Das stimmt lediglich in der Stellung des gesamten Hauses, im wörtlichsten Sinne durchaus zu verstehen, im Rahmen der Genossenschaft, in der sich dieses Haus befand.

Aber sie war Trägerin der Schlüsselgewalt, und als solcher war sie zu völlig freiem Walten innerhalb der Hausgemeinschaft berechtigt. Nicht nur das, beim Tod des Mannes galt das Haus mit all seinen Rechten und Ansprüchen als fortbestehend, solange ein Sohn vorhanden war. Rosenstock-Huessy zeigt in "Königshaus und Stämme", daß dies weit mehr war als bloßes "Vormundschaft". Es war das tatsächliche Leiten und Regieren, wenn es um Königshäuser ging.

Dies ist bereits bei den Merowingern im 4. Jhd. nachweisbar, und zieht sich durch die gesamte Geschichte des Mittelalters, und natürlich darüber hinaus. Es erhält eine noch schärfere Bedeutung wenn man bedenkt, daß der König ein solcher nur in seiner Außenbeziehung war. 

Als Herzog unter Herzögen, nur als primus inter pares eben, war ihm dort keineswegs bloße Willkür möglich. Es ist wohl auf die jüngere Erfahrung absoluter Herrschaft seit der Renaissance zurückzuführen, daß völlig in Vergessenheit geraten ist, daß sich etwa in Deutschland (mit Österreich) mehrheitlich immer eine landesständische Ordnung vorfand. In der die Bürger auf eine Weise mitzureden hatten, die uns staunen läßt. Denn sie kann sich mit den ausgeprägtesten parlamentarischen Formen vergleichen. Ohne Mitwillen der Regierten, konnte kein König (und in seiner Rechtsstellung war jeder Herzog, als stammesrechtlich verankerter, wenn nicht gewählter Führer, im Grunde König) regieren. Verhielt sich ein König (Herzog) gegen geltendes Rechtsempfinden, war es das Recht der Untertanen, die Gefolgschaft zu verweigern. Seine Herrschaft war also äußerst fragil, und in hohem Maß von persönlichem Ansehen abhängig.

In seiner Macht vollkommen war er nur als Vorsteher eines - Hauses. Und als solcher Eigenschaft heraus hat sich das gesamte Lehenswesen aufgebaut. Denn wer am Glanz des Königs teilhaben wollte, unterstellte sich ihm. Durchaus im Gedanken des "Beamten". Das hieß aber: er trat seinem Hause bei, gehörte fortan durch Versprechen dazu. Bei Städtegründungen zeigt sich dies in seine m Recht, bei Besuchen beherbergt zu werden. 

Ein Lehenswesen, wo Ernährungspflichten auf der einen Seite, Dienstpflichten auf der anderen gegenüberstanden. Gleichzeitig entwickelten sich daraus jene Machtprobleme, die das späte Mittelalter in seinem Kampf von Königtum und Adel kennzeichneten. Denn die "Hausmacht" des Königs war durch seine Vasallen - vor allem, wenn sie mitsamt ihrem eigenen Haus in die königlichen Dienste traten - ebenfalls fragiler, als es den Anschein haben könnte. Es waren vielfach Probleme der Hausordnung! Nicht zuerst der Stellung des Königs als solchem, in seinen Außenverhältnissen, wo er als Richter und Verwalter fungierte. Zu Außenproblemen haben sie sich oft nur entwickelt.

Aber die Regentin über dieses Haus war die Königin, die "frouwe", die Gemahlin des "fro", des Herren. Ihr Einfluß ist nachweislich enorm gewesen, spiegelte einfach an das reale, faktische Zueinander in der Ehe. Haus als Reich - sie hatte die Schlüssel, ein Teil der Reichsinsignien, sie "war" das Reich.

Und von dieser Ordnung der Fürsten läßt sich direkt auf die Rechtslage im Alltag der Bürger schließen. Noch bis ins 19. Jhd. hielt es sich dort, etwa in der Zunft- und Kammerordnung. Auch bei Handwerksmeistern galten sinngemäß dieselben Regelungen. Ersichtlich an der Stellung der Witwe bei Ableben des Hausherren. War ein männlicher Erbe im Haus, konnte das Haus also weiter bestehen, behielt die Frau so lange Stellung und Rechte des Mannes, bis der Sohn volljährig war. 

Heiratete sie davor wieder, verlor sie diese Rechte alle, denn nun trat sie einem anderen Hause bei. Bei der Königsnachfolge oft eine entscheidende Frage. Denn die Königswürde war ursprünglich nicht an die Person gebunden, sondern an das Haus bzw. in diesem an den Stamm. Erst allmählich entwickelte sich ein Herrschaftsbegriff, der den König "an eine Person" band. Aber diese Stellung der Frau als Repräsentantin des Hauses war keineswegs barmherziges Zugeständnis einstweilen gutmütiger Konkurrenten um die Macht. Es war im allgemeinen Rechtsgebrauch, dagegen zu verstoßen hätte usurpierte Macht nicht legitimiert. Und damit ihre Ausübung unmöglich, bestenfalls zur Gewaltherrschaft gemacht.

Nur das Agieren im Außenverhältnis war ihr untersagt. Sie war nicht rechtsmündig, ein Außenverhältnis. Das war gleichfalls nur das Haus (nicht die Person!), und damit der Herr. Während im Haus die Gliederung ihren ganzen Sinn durch das Verhältnis zum Herren erhielt, konkurrierte der König (Herr) im Außenverhältnis mit jedem Richter.

Die Frau konnte damit auch keine rechtsgültigen Urkunden nach außen (sehr wohl aber intern alles regeln) ausstellen. Solche kommen zwar vor, aber sehr selten und umstritten. Der Staat als sämtliche Häuser umgreifende Institution war immer Männersache. Ohne geregeltes Haus aber, das wie beschrieben umfangreich sein konnte und den ganzen Hofstaat umfaßte, war kein König herrschaftsfähig. Vom Bestehen dieses Hauses hing die Herrschaft ab, nicht vom Leben des Fürsten.




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