Dieses Blog durchsuchen

Mittwoch, 15. März 2017

Bücher - tres chique!

Wer hätte damit gerechnet, aber es stimmt, zumindest im englischsprachigen Raum. Das Buch feiert eine unerwartete Renaissance! Noch nie wurden so viele gedruckte Bücher verkauft wie in den letzten beiden Jahren. Trotz e-books, trotz Internet, trotz social media, trotz allem. Das gilt sogar für den deutschsprachigen Raum.

Wer aber nun damit rechnen würde, daß auch die Belesenheit, die Bildung, das Interesse für geistige Themen zugenommen hat, wer gar geglaubt hat: gut, das konnte so ja nicht weitergehen, diese Geistlosigkeit war ja unerträglich, das muß ja jeder gespürt haben?, dem muß ein recht großer Tropfen Bitterkeit in seinen Wein geträufelt werden. Diese Hoffnung ist nämlich nicht erfüllt. 

Vielmehr hat man das Buch als Dekorationsstück wiederentdeckt. Bücher werden heute nicht mehr gekauft, um sie zu lesen, um sich geistig auseinanderzusetzen, um Abenteuer im Kopf zu erleben. Sie werden gekauft, um das Ambiente zu dekorieren. Um sich ein Image zu verpassen. Noch nie wurde so wenig gelesen wie heute. Trotz Internet. Die Menschen kaufen die Bücher weniger denn je, um sie zu lesen. 

Sie kaufen sie als Zeichen ihrer Überlegenheit über die Geistesgeschichte, in dem sie ihnen einen ganz neuen Platz zuweisen, damit Herrschaft über sie aufüben. Entsprechend ist auch die Leserschaft gewandert, nämlich tatsächlich ins e-book. Auch dort läßt sich kraft der Eigenheiten des Mediums die Herrschaft über den Text erfahren, dem über Bildschirm kaum noch Wirklichkeit anhaftet. 

Entsprechend erfährt ein Leser, der noch ein solcher war und ist, der also hinter den Büchern die Autoren, die Stimmen, die Geister sieht, die sich nie geändert haben, immer nur andere Schattierungen auf demselben Geiste aller Zeiten sind, daß Verlagstexten neuer, aktueller Bücher nicht mehr zu trauen ist. Das Niveau selbst großartigst angepriesener Bücher, ob in Kunst/Literatur oder im Sachbereich, ist meist schon so bescheiden, daß man mit der Zeit vorsichtig wird, überhaupt noch eine Neuerscheinung zu erwerben, denn zu regelmäßig wird man enttäuscht.

Entsprechend ist es modern, die Erwerbungen nach Farben der Umschläge, oder einfach nach dem Alphabet zu ordnen. Das entspricht. 

Wo dann Aristoteles neben einem Bildband über Autos aus Plastik aus den 1970er Jahren steht, den ein Partygast einmal als Gastgeschenk mitbrachte weil er wußte, daß bei "A" noch Platz ist. 

Was man nicht mehr versteht, wird heute ohnehin einfach "neu interpretiert", oder "zeitgemäß interpretiert": Seht, auch diese Großen waren alle nur dieselben Flachtümpler, wie wir heute sind, stinken sie nicht auch beim Scheißen? Ganze Theaterpläne werden mittlerweile so gefüllt, und das Feuilleton jubelt, weil endlich endlich ein "zeitgemäßes" Stück - und wie amüsant! - auf der Bühne zu sehen ist.  Dann wird ein "Jungautor" bejubelt, der sich nicht zu blöd war, einen Shakespeare auf das zu reduzieren, was Shakespeare einfach zu dumm, zu zeitgebunden, geistig zu eng (wie früher ja alles war) dargestellt hat - seht doch, wie einfach alles ist! Endlich können wir Shakespeare verstehen,. das hätte dieser Jungautor auch hingekriegt.*

Oder wo ganze Verlagsreihen angeschafft werden, einfach um sie zu besitzen. In originell designten Buchregalen, wo das Buch einfach noch "vorkommt", als Thema, das man im Rahmen eines Ambientes anklingen läßt. Die Verlage haben sich schon längst darauf eingestellt. Auf Instragram rangieren Anfragen für Bilder von originellen Bücherregalen mittlerweile ganz oben.

Deshalb steigen auch tatsächlich die Preise für neue Bücher. Aber auch für Antiquarisches muß man oft schon viel hinlegen. Nicht, weil die Inhalte gefragt und wertvoll sind. Die bedeuten in der Regel niemandem mehr etwas. Sondern lediglich aus irgendwelchen Sammlermotiven. Man nennt das übrigens Wucher.



*Dieses katastrophale Un- und Mißverständnis von Kunst und Geist wird in nächster Zeit hier sehr wahrscheinlich noch näher beleuchtet. Die aktuellen Beispiele, die des VdZ Nackenhaare sträuben, werden immer zahlreicher.





*110317*