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Sonntag, 19. März 2017

Faust ist zu romantisch

In einem seiner letzten Interviews, gegeben 1998, berichtet der amerikanische Exorzist Malachi Martin von einer Form der Überschreibung an den Teufel, die sich von der sonstigen Besessenheit deutlich unterscheidet. Anders als in den Volksmythen wie "Faust" berichtet, die Martin als "zu romantisch" bezeichnet, geschieht dieser Überschreibungsprozeß aber nicht von einem Moment auf den anderen, sondern durch laufende Einwilligung und Herbeizitierung, sei also das Ergebnis aus einem fortlaufenden Prozeß. In dem jemand um eines Zieles willen seine Seele dem Satan überschreibt. 

Diese Menschen kennzeichnet auch gar nicht der sonst in dämonischen, satanischen Begegnungen üblichen Kälte und Haß, sondern eine gewisse extrem nüchterne Absolutheit, die darüber hinausgeht. Sie sind in der Regel weltlich gesehen sehr erfolgreich, das ist sogar etwas wie ein Erkennungsmerkmal. (Wobei Erfolg natürlich nicht automatisch ein Kennzeichen für satanisches Wirken sei, im Gegenteil ist es ja oft Segen und Wille weil Vorsehung Gottes.) Wenn er solchen Menschen gegenübertrat erlebte er eine sofort für beide Seiten erkennbare totale Unvereinbarkeit. 

Und anders als er es sonst erlebt habe, habe er sich einer Gefahr gegenübergesehen, nicht "zu sterben", sondern ganz gezielt und kalt ermordet zu werden. Mindestens zweimal habe er sich selber schon in solcher ganz ernster Todesgefahr befunden, aus der zu fliehen ihm aber gelang. 

Diese Mordabsicht unterscheidet sich grundlegend von dem, was er - Martin lebt in Manhattan - in der Bronx oder in Gegenden mit hoher Kriminalität erlebt habe. Ja, auch dort werde getötet und geschähen schlimme Verbrechen. Aber das gewissermaßen normale menschliche Fehlen, das Böse-sein, ist noch immer eine ganz andere Dimension, ist gewissermaßen noch menschlicher. Denn selbst der übelste Verbrecher hat noch irgendwo eine Mutter, eine Schwester, einen Sohn, oder meinetwegen einen Hund, die er liebt. Und diese Verbrechen hätten immer ein Ziel. Das hätten aber diese Satan überschriebenen Menschen nicht, hier gehe es um existentielle Verneinung und Nichtungsabsicht.

Das Interessante dabei ist, daß sich alle diese Phänomene - Überschriebenheit ebenso wie Besesssenheit -  nicht in soziale Klassen ordnen lassen. Martin erzählte, daß er einmal zusammen mit zahlreichen anderen Exorzisten versucht habe, irgendwelche psychologischen oder sozialen Kriterien zu finden, nach denen sich die ihnen bekannten Fälle einteilen ließen. Ohne Erfolg. Jeder Fall von Besessenheit hat ganz eigene Kriterien, es läßt sich keinerlei Verallgemeinerung finden. Keine soziale Schichte, keine persönliche Situation, keine Hautfarbe, nichts ließe sich als "Kriterium" nennen, überall ist alles möglich.

Eines freilich läßt sich finden. Es gibt Orte, Städte, in denen dämonische Aktivitäten besonders häufig und dicht aufträten. Ohne Anspruch auf  Vollständigkeit, nannte Martin in Europa dabei ... Genf. Für Nordameirka nannte er u. a. die Städte St. Louis, Vancouver, Chicago und einige Viertel in New York, etwa Manhattan.

Auch interessant, neben so vielem anderen,. was der großartig nüchterne, vernünftige Malachi Martin sagt: Der Exorzist kann in der Ausübung seines Dienstes auch unterliegen! Das geschieht, wenn er persönlich in irgendeiner Weise angreifbar ist. Der effektivste Hebel dabei ist der Stolz. Nur ein Moment Eigenstolz könne die Angelegenheit entscheiden. Dann gehe es furchtbar aus. Martin sagt, daß er noch nie gesehen habe, daß ein Exorzist, der einmal unterlegen sei, dies ohne schwere Schädigungen und Folgen überstanden habe. Deshalb sei ein Exorzist gewissermaßen "gezwungen", auch nach  Heiligkeit zu streben. Anders kann er den Dämonen und Satan nicht gegenübertreten, sie packen ihn sofort bei Versuchbarkeiten und Untugenden.
 
Martin, der 1998 in hohem Alter verstarb, findet (oder: fand) es übrigens sehr bedauerlich, daß anders als in früheren Zeiten das Wissen um die Realitäten im Ungang mit Dämonen in der Kirche zu wenig gepflegt und damit gefährdet, in jedem Fall zu wenig verbreitet ist. Die Tradition, der enorme Wissensschatz der Kirche würde aber zeigen, wie und wie differenziert mit diesem heiklen Gebiet umzugehen wäre. Dazu kommt außerdem, daß es mittlerweile viel zu wenige Exorzisten gibt. Kaum noch ein Drittel der Diözesen verfügen über solche. Während es bis vor wenigen Jahrzehnten üblich war, daß jede Diözese sogar ein eigenes Gremium für solche Fragen hatte. Aber heute wird nicht selten eine entsprechende Meldung an ein Ordinariat oder eine Bitte um Prüfung oder Hilfe sogar noch belächelt.




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