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Donnerstag, 16. März 2017

Gestalt ist eine physikalische Größe

Der Gedanke ist ebenso alt wie derartig berückend, daß man sich die Frage stellen muß, warum er heute bzw. nach 1945 so wenig Niederschlag findet. Der Physiker und Chemiker Wolfgang Köhler denkt ihn in seiner preisgekrönten (letztlich naturphilosophischen) Schrift "Die physischen Gestalten in Ruhe und im stationären Zustand" (1919) ebenso konsequent wie letztlich einfach durch, und verarbeitet reichlich Einflüsse von Maxwell und Hilbert. 

Es geht um die Tatsache, daß die physikalischen, chemische, elektrostatischen bzw. -magnetischen Eigenschaften von Körpern nicht einfach von additiv zu erfassenden, schon im Teilzustand meßbaren Energiepotentialen bestimmt werden, sondern - zuerst und vor allem von der Gestalt, in der sie sich eingegliedert finden. Wobei es kein Teildasein ohne Gesamtgestalt gibt. 

Gestalt bestimmt das Verhalten aller ihr als einer bestimmten Gestalt zuordenbaren Teile, die immer von der Gesamtheit der Gestalt bestimmt sind, wiewohl sie ihre Eigenschaften als für sich stehende Teile nie verlieren. (Illustrierend-verweisend: Es ist ein Unterschied, ob ein Gesamtfeld mit ihren Teilen diese Teile etwa in einer Spitz- oder sagen wir einer Kugelform integriert. Die Gesamtreaktionen sind meßbar unterschiedlich.) 

Die Gestalt ist aber ein "Surplus". Sie ist etwas für sich, das die Teilestrukturen bestimmt. Das mit physikalischen Meßmethoden nicht apriori-summativ bestimmbar, aber im Ganzen physikalisch bestimmbar, feststellbar ist. Gestalt hat also physikalische Eigenschaften, ja das Zueinander von Dingen wird von der Gestalt - nicht von einzelnen physikalischen Eigenschaften, also summativ! - bestimmt. Denn keine Gestalt, die nicht auf die angrenzende, sie berührende reagiert. Kein Teil, der sich nicht in einem Ganzen findet, und einerseits davon bestimmt wird, anderseits auf das Ganze rückwirkt.

Wir werden darüber weiter berichten, wenn wir eine Idee haben, wie die Sachverhalte einfach und für einen geneigten Leser, der nicht so tief in die Physik einzudringen Zeit und Lust hat wie es das Studium der Köhlerschen Schrift erforderte, gewinnbringend darzustellen sind.





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