Dieses Blog durchsuchen

Montag, 25. Dezember 2017

Jauchzet, frohlocket! (1)

Fast noch mehr als ein Recht, gibt es eine Pflicht zum Fest und damit eine Pflicht, sein Gemüt dem Jahreskreise gemäß zu bereiten, den Festanlässen zu öffnen. In denen jenes Überzeitliche in die Zeit gereicht wird, auf daß es uns ihm gemäß bereite. Deshalb bringt ein Fest nichts "Neues", denn neu ist nur das Ewige, das immer gleich neu, weil schöpferisch ist, das aber in der Zeit durchaus immer von gleichem Rhythmus sein kann, ja fast muß, der die Materia aber neu erfaßt. Denn der Festeskreis ist immer größer als wir, er ist es, der uns letztlich als Welt formt. Kultur beginnt beim Kult, beim Fest.

Nirgendwo wird das greifbarer als in der Tatsache, daß zu diesen Festen auch die Erinnerungen eine so tragende Rolle spielen, in der vergangene Zeit zur Gegenwart zusammenrinnt, gar keine Zukunft kennt, weil die Gegenwart das Ziel erreicht hat. Freude der Gegenwart und Erinnerung sind nicht zu trennen. Denn Erinnerung ist mehr als ein archivisches Speichern von Daten, es ist eine Wachsamkeit der Seele, der Dankbarkeit untrennbar verbunden.

***

In dieser erst wirklichen Erinnerung wird das, was das Leben trägt und unsere bloße Existenz zum Leben hin durchstrahlt gegenwärtig. Wir treten dieser Höhe (als Ort und Quelle) bei, wodurch gegenwärtig wird, was eine Kultur, ein Volk, eine Gemeinde, eine Familie atmet.

Ihr Freund ist die Musik - weil unbegrenzt und am Ziel. Man singt die stets gleichen Lieder, ißt die gleichen Kekse, folgt dem gleichen Festtagsrhythmus. Wenn Menschen von Weihnachten erzählen, erzählen sie stets so: "Bei uns ist es immer so, daß der Tag mit ... beginnt. Dann ..." 

Also drängt die Kindheitserinnerung an und nimmt einen so in das Fest hinein, das wir als Kind noch viel unmittelbarer erfahren haben. Das haben wir in unsere Taschen gesteckt, als Vorrat für später. Wo es nicht mehr bloß Traumhaftigkeit ist, sondern ein Heraustreten aus der faktischen Gegenwart ins Schöne, Ewige, also das gerade Gegenteil von Traum - aber im kindlichen Spiel. Nicht Flucht ist es, sondern Heimkommen und Ganz-da-sein um seiner selbst willen. Zu Daten wurde vielleicht das Schlechte, das man erfahren hat, gut. Aber dem Reifen wird immer mehr nur noch das Gute tragend, er wird zum Spielenden.

***

Deshalb wird ein Leben das sich rundet, das herangereift ist, immer mehr ein Leben im Glanz der immerwährenden Erinnerung und Heiterkeit, weil sich das Leben an einem bestimmten Punkte nur noch wie eine unausgesetzte Erinnerung lebt. Irgendwann beginnt man zu begreifen, daß die Erinnerung nicht sentimentales Jammern um ein "verlorenes" Ziel ist, sondern die zufriedene, dankbare und heitere Betrachtung des bereits Besessenen, an dem man in der Erinnerung - die erst Gegenwart wachruft - stets teilhaben darf. Die Erinnerung ist also nicht billiges Surrogat eines verlorenen Halt-nicht-mehr-seienden, ist nicht verkrampfte Behübschungspose, sondern ein immer präsentes Tor zu einem Schatz, den man gefunden hat. Den einem niemand nehmen und von dem man zehren kann, wenn man sich denn erinnert. Und im Spiel des Erzählens, in trauter Runde vielleicht, die ganze gegenwärtige Welt mit der Zelebration dieses Lebens erfüllt.

***

Dann beginnt das Hohe, das Fertige, dann beginnt auch die Kunst einmal Alltag zu werden. Als wäre schon das Paradies angebrochen. Der Mensch beginnt zu erzählen, fügt sich ganz ein in die Traditionen, ist umgeben vom Allgemeinen und macht in der Erzählung hier, im fügsamen Folgen der alten bewährten Weisen das Fest zu begehen den weiten Himmel auf. 

So zehrt das Leben im Alltag von diesen Festen, die immer wieder- und wiederkehren, bis alles Himmel geworden, von ihm durchtränkt, in ihn hinaufgehoben ist. Ja, der Alltag, der Lebensgang ist ein immer festeres Spannen von Seilen zwischen Festen, die als Lebensmelodie alles umspannen und auch das vallis lacrimosa in der Hoffnung aufs bald wieder kommende und immer mehr bestimmende Ewige, das die Zeit unterbricht und schließlich zusammenfließend vollendet, nicht auslöschen, aber überwinden wird. Selbst, wenn die Bereitschaft zur Festesfreude manchmal schwer erkämpft sein will. 

Aber wir kämpfen dann auch, aus Pflicht überwinden wir alle Hindernisse, die das Feiern verhindern wollen. Selig der, der eine Mitwelt erlebt, die mit ihm um dieses Fest kämpft und es weithin entfaltet. Selig der Mensch, der in einer einheitlichen Kultur leben darf in der alle dieses Fest heilig halten. Wenn sich die Kraft Christi erfahren läßt, dann deshalb an Weihnachten, das als Fest fast die ganze Welt umspannt hat. Wie es dem Anlaß eben geziemt.


Übermorgen Teil 2) Für die ersten Weihnachtstage vielleicht zu harter Tobok





*191117*