Wieviele Geschlechter es denn ihrer
Ansicht nach gebe, fragte unlängst im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern
ein Abgeordneter (vermutlich von der AfD; die übrigen trauen sich
solche Fragen wohl gar nicht mehr zu stellen) die Rednerin, Nadine
Julitz von der SPD. Die druckste dann etwas herum, meinte, daß es eben
neben Mann und Frau auch dazwischen etwas gebe, Menschen, die
unterschiedlich geboren wären, also außerhalb gängiger
Geschlechtsvorstellungen.
Es
ist durchaus interessant, der Abgeordneten zuzuhören. Denn es rollt
sich so gut wie alles auf, was an philosophischem Zunder in der Frage
verbrannt wird. Es zeigt, daß diese Fragen auf der Ebene der
menschlichen Rationalität, die immer eine Art Rechtfertigungsebene ist,
also Selbst- und Weltkonstitution bedeutet, auf einem wahren Berg von
ungeklärten Begriffen aufbaut. Einer der folgenreichsten ist der
Begriff von "Natur", auf den sie sich bezieht.
Herrschaften,
wäre es wirklich so, könnte niemand gegen drei oder fünf oder
siebentausend Geschlechter, je nach Selbstdefinition, etwas einwenden. Aber so
ist es eben nicht. Natur ist nicht alles, was faktisch vorhanden ist.
Nicht alles was in der Natur (und der Mensch ist hier als Teilmenge
verstanden) vorkommt ist auch schon natürlich. Das Sein konstituiert
sich eben NICHT aus dem faktisch SEIENDEN, wie es Karl Marx
formuliert, und wie es aus Hegel hervorgeht, den man so interpretieren
könnte (wobei der VdZ nicht glaubt, daß Hegel so dumm war, wie er
gemacht wurde und wird.)
Greifen
wir einmal das Zwingende des Arguments "weil von Natur aus so und so -
deshalb auch das Recht so und so zu leben" auf. Denn darin liegt
durchaus etwas Wahres. So ist es, und darauf gründet die gesamte Moral
der Menschheitsgeschichte: Sie greift Natur als etwas Gesetzartiges auf,
dem sie deshalb zu folgen hat. Die gesamte katholische Moral bezieht
sich ja (bis auf die wenigen direkten gottbezüglichen Gebote, die eine
gewisse Ausnahme darstellen, aber nur, weil sie weit über der bloß
irdischen Natur sind, dieser aber auch nie widersprechen, im Gegenteil,
diese erst richtig verstehen lassen) genau darauf auf: Daß die Natur, als
Schöpfung, den Willen des Schöpfers enthält. Alle Sünden, wie sie die
Kirche versteht, sind damit glatte Verstöße gegen die Natur.
Also
liegt alles am Begriff "Natur"! Das als "geboren als und zugleich
auf-zu" erkennbar wird, das ist der Knackpunkt. Anders nämlich als
behauptet, zeigt die Natur aller Dinge NICHT auf, daß alles einfach
irgendwie "es selbst" sein oder bleiben will, sondern zeigt, daß alles
auf ein Idealbild zustrebt, aus dem es seine ganze Entwicklungsdynamik
bezieht. Dieses Idealbild wiederum ist der Maßstab, in dem sich das
gesamte Wesen eines Dings (Lebewesen) bewegt. Es ist nicht sichtbar,
sondern schwebt ideenhaft allen Dingen vor, sind ihr Anfang einerseits,
ihr Endziel anderseits. Das ist in der Natur überall und allezeit
erkennbar. Überall dort, wo etwas wider seine Natur behandelt wird oder
gezwungen wird, sich wider seine Natur zu entwickeln, stirbt es á la
longue, vergeht, geht buchstäblich ein.
Dieses
Idealbild ist unsichtbar, es ist im rein Empirischen nicht einfach
"da". Es muß "gedacht" werden, will es erkannt sein, und vor allem: will
man danach handeln. Deshalb ist es auch durchaus ein "Bild". Und die
Abgeordnete der SPD spricht ja auch von einem "Familienbild" (freilich
in denunziatorischer Absicht), wo jeder halt eine andere Vorstellung
davon habe, und jeder solle halt die Freiheit besitzen, dieses sein
Idealbild zu verwirklichen. Damit ist klar, daß alles daran liegt, ob es
denn wirklich so ist. Ob der Mensch in der Lage ist, sich ein Bild als
Natur zu denken, welches im Falle der Familie von der "gängigen
konservativen Vorstellung" von Mann-Frau-Kind(er) abweicht.
Nun,
"denken" im Sinne von phantasievoll vorstellen kann er es sich, das ist
keine Frage. Die Frage ist aber, ob dieses vorgestellte Bild auch
seiner Natur entspricht. Nicht dem rein faktischen Zustand.
Hier
zeigt sich die Crux eines großen Teiles der Gegenargumentation gegen
Gender. Der nämlich auch vom Faktischen ausgeht, vom Pragmatischen gar.
Darin steckt zwar noch immer ein Fünkchen Wahrheit, weil das Natürliche
auf eine Weise auch das Praktischere ist, das geeignet Zweckhaftere,
aber nicht einfach daraus hervorgeht.
Deshalb
muß die Gender-Diskussion viel tiefer ansetzen. Sie muß bei der
Anthropologie ansetzen. Und dieser Aufgabe haben sich auch die Kritiker
der Gender-Ideologie zu stellen. Endlich zu stellen, möchte man sagen,
denn es passiert immer noch nicht. Nur so kann man ihr begegnen. Darin
würden sich aber die gesamten Unvereinbarkeiten und Widersprüche der
linken Ideologie erweisen, die nämlich von einem falschen Menschenbild
ausgeht. Das im Wesentlichen materialistisch ist, in dem sich also alles
vom Kleinsten ausgehend bis ins Größte "zufällig" und nur
physikalischen Gesetzen nach konstituiert hat.
Wenn
nun Gender-Gegner aber einerseits an ein evolutiv entstandenes, von
unten heraus also an ein aufbauendes Universum glauben, dies für
"wissenschaftlich" und "gewiß" halten, tragen sie denselben Keim der
Krankheit in sich, dem sie in der Gender-Ideologie nur in besonderer
Blüte begegnen. Nur wenn man Kausalität exakt denkt wird man nämlich
erkennen können, daß alle Dinge - und wie erst der Mensch, der nur auf
besondere Weise: als denkendes Wesen, als geistbegabtes Wesen - von einem
logos, einem Idealbild ausgehen, und auf dieses dann zusteuern, um es
zu wirklichen. Der Mensch ist seinem Wesen nach also, wie Ortega y Gasset es
einmal formuliert, "utopisch". Er strebt auf ein Idealbild zu. Und DAS
ist seine Natur.
Dieses
Idealbild ist also nicht einfach die Summierung alles faktisch
Vorhandenen, sondern ergibt sich aus einer Bewegungsdynamik, die
zugleich die Dynamik des Schöpfers ist. Ehe und Familie sind keine
Erfindungen, die sich aus der evolutionstechnisch notwendigen
Überlebensstrategie der Fortpflanzung und Beziehungsstabilität ergeben,
das sind nur Folgen. Sondern sie ergeben sich aus dem Erkennen Gottes.
Erst aus seiner Dynamik der Dreifaltigkeit läßt sich die Dynamik des
Menschen erkennen.
Diese
Rückkoppelung, die sich niemand ersparen kann, ergibt sich auch aus
Beobachtung. Denn jede Kultur hat exakt jenes Menschenbild, das sich aus
ihrem Gottesbild ergibt. Der Unterschied liegt aber nicht in den
unterschiedlichen Götterbildern, als wären die ein Sammelsurium alles
Möglichen, sondern es gibt nur ein wahres Bild, und alle übrigen sind
ein Sammelsurium von Wahrem mit hier oder dort eingefügten Notgriffen.
Im letzten und fast immer ist das in der Schöpfungsmythologie
erkennbar. Aber in gewisser Weise hat es jeder Mensch in seiner innersten
Matrix eingeschrieben.
Die
Frage, diese Matrix zu erkennen ist nun eine Frage der
Begriffsklärungen. Weil Begriffsklärung immer auch eine Frage der
Selbsterkenntnis ist. Jede von der Wahrheit der Trinität abweichende
Erkenntnis ist somit hier oder dort, dann oder wann, in einer
Selbsttäuschung erkennbar. Das Spektrum der möglichen Ursachen von
Irrtümern ist so groß wie es Menschen gibt.
Morgen Teil 2) Ein bißchen schwanger geht nicht
*191117*