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Freitag, 29. Dezember 2017

Ohne Metaphysik ist das chancenlos (1)

Wieviele Geschlechter es denn ihrer Ansicht nach gebe, fragte unlängst im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ein Abgeordneter (vermutlich von der AfD; die übrigen trauen sich solche Fragen wohl gar nicht mehr zu stellen) die Rednerin, Nadine Julitz von der SPD. Die druckste dann etwas herum, meinte, daß es eben neben Mann und Frau auch dazwischen etwas gebe, Menschen, die unterschiedlich geboren wären, also außerhalb gängiger Geschlechtsvorstellungen.

Es ist durchaus interessant, der Abgeordneten zuzuhören. Denn es rollt sich so gut wie alles auf, was an philosophischem Zunder in der Frage verbrannt wird. Es zeigt, daß diese Fragen auf der Ebene der menschlichen Rationalität, die immer eine Art Rechtfertigungsebene ist, also Selbst- und Weltkonstitution bedeutet, auf einem wahren Berg von ungeklärten Begriffen aufbaut. Einer der folgenreichsten ist der Begriff von "Natur", auf den sie sich bezieht.

Herrschaften, wäre es wirklich so, könnte niemand gegen drei oder fünf oder siebentausend Geschlechter, je nach Selbstdefinition, etwas einwenden. Aber so ist es eben nicht. Natur ist nicht alles, was faktisch vorhanden ist. Nicht alles was in der Natur (und der Mensch ist hier als Teilmenge verstanden) vorkommt ist auch schon natürlich. Das Sein konstituiert sich eben NICHT aus dem faktisch SEIENDEN, wie es Karl Marx formuliert, und wie es aus Hegel hervorgeht, den man so interpretieren könnte (wobei der VdZ nicht glaubt, daß Hegel so dumm war, wie er gemacht wurde und wird.) 

Greifen wir einmal das Zwingende des Arguments "weil von Natur aus so und so - deshalb auch das Recht so und so zu leben" auf. Denn darin liegt durchaus etwas Wahres. So ist es, und darauf gründet die gesamte Moral der Menschheitsgeschichte: Sie greift Natur als etwas Gesetzartiges auf, dem sie deshalb zu folgen hat. Die gesamte katholische Moral bezieht sich ja (bis auf die wenigen direkten gottbezüglichen Gebote, die eine gewisse Ausnahme darstellen, aber nur, weil sie weit über der bloß irdischen Natur sind, dieser aber auch nie widersprechen, im Gegenteil, diese erst richtig verstehen lassen) genau darauf auf: Daß die Natur, als Schöpfung, den Willen des Schöpfers enthält. Alle Sünden, wie sie die Kirche versteht, sind damit glatte Verstöße gegen die Natur.

Also liegt alles am Begriff "Natur"! Das als "geboren als und zugleich auf-zu" erkennbar wird, das ist der Knackpunkt. Anders nämlich als behauptet, zeigt die Natur aller Dinge NICHT auf, daß alles einfach irgendwie "es selbst" sein oder bleiben will, sondern zeigt, daß alles auf ein Idealbild zustrebt, aus dem es seine ganze Entwicklungsdynamik bezieht. Dieses Idealbild wiederum ist der Maßstab, in dem sich das gesamte Wesen eines Dings (Lebewesen) bewegt. Es ist nicht sichtbar, sondern schwebt ideenhaft allen Dingen vor, sind ihr Anfang einerseits, ihr Endziel anderseits. Das ist in der Natur überall und allezeit erkennbar. Überall dort, wo etwas wider seine Natur behandelt wird oder gezwungen wird, sich wider seine Natur zu entwickeln, stirbt es á la longue, vergeht, geht buchstäblich ein.

Dieses Idealbild ist unsichtbar, es ist im rein Empirischen nicht einfach "da". Es muß "gedacht" werden, will es erkannt sein, und vor allem: will man danach handeln. Deshalb ist es auch durchaus ein "Bild". Und die Abgeordnete der SPD spricht ja auch von einem "Familienbild" (freilich in denunziatorischer Absicht), wo jeder halt eine andere Vorstellung davon habe, und jeder solle halt die Freiheit besitzen, dieses sein Idealbild zu verwirklichen. Damit ist klar, daß alles daran liegt, ob es denn wirklich so ist. Ob der Mensch in der Lage ist, sich ein Bild als Natur zu denken, welches im Falle der Familie von der "gängigen konservativen Vorstellung" von Mann-Frau-Kind(er) abweicht.

Nun, "denken" im Sinne von phantasievoll vorstellen kann er es sich, das ist keine Frage. Die Frage ist aber, ob dieses vorgestellte Bild auch seiner Natur entspricht. Nicht dem rein faktischen Zustand.

Hier zeigt sich die Crux eines großen Teiles der Gegenargumentation gegen Gender. Der nämlich auch vom Faktischen ausgeht, vom Pragmatischen gar. Darin steckt zwar noch immer ein Fünkchen Wahrheit, weil das Natürliche auf eine Weise auch das Praktischere ist, das geeignet Zweckhaftere, aber nicht einfach daraus hervorgeht.  

Deshalb muß die Gender-Diskussion viel tiefer ansetzen. Sie muß bei der Anthropologie ansetzen. Und dieser Aufgabe haben sich auch die Kritiker der Gender-Ideologie zu stellen. Endlich zu stellen, möchte man sagen, denn es passiert immer noch nicht. Nur so kann man ihr begegnen. Darin würden sich aber die gesamten Unvereinbarkeiten und Widersprüche der linken Ideologie erweisen, die nämlich von einem falschen Menschenbild ausgeht. Das im Wesentlichen materialistisch ist, in dem sich also alles vom Kleinsten ausgehend bis ins Größte "zufällig" und nur physikalischen Gesetzen nach konstituiert hat.

Wenn nun Gender-Gegner aber einerseits an ein evolutiv entstandenes, von unten heraus also an ein aufbauendes Universum glauben, dies für "wissenschaftlich" und "gewiß" halten, tragen sie denselben Keim der Krankheit in sich, dem sie in der Gender-Ideologie nur in besonderer Blüte begegnen. Nur wenn man Kausalität exakt denkt wird man nämlich erkennen können, daß alle Dinge - und wie erst der Mensch, der nur auf besondere Weise: als denkendes Wesen, als geistbegabtes Wesen - von einem logos, einem Idealbild ausgehen, und auf dieses dann zusteuern, um es zu wirklichen. Der Mensch ist seinem Wesen nach also, wie Ortega y Gasset es einmal formuliert, "utopisch". Er strebt auf ein Idealbild zu. Und DAS ist seine Natur.

Dieses Idealbild ist also nicht einfach die Summierung alles faktisch Vorhandenen, sondern ergibt sich aus einer Bewegungsdynamik, die zugleich die Dynamik des Schöpfers ist. Ehe und Familie sind keine Erfindungen, die sich aus der evolutionstechnisch notwendigen Überlebensstrategie der Fortpflanzung und Beziehungsstabilität ergeben, das sind nur Folgen. Sondern sie ergeben sich aus dem Erkennen Gottes. Erst aus seiner Dynamik der Dreifaltigkeit läßt sich die Dynamik des Menschen erkennen.

Diese Rückkoppelung, die sich niemand ersparen kann, ergibt sich auch aus Beobachtung. Denn jede Kultur hat exakt jenes Menschenbild, das sich aus ihrem Gottesbild ergibt. Der Unterschied liegt aber nicht in den unterschiedlichen Götterbildern, als wären die ein Sammelsurium alles Möglichen, sondern es gibt nur ein wahres Bild, und alle übrigen sind ein Sammelsurium von Wahrem mit hier oder dort eingefügten Notgriffen. Im letzten und fast immer ist das in der Schöpfungsmythologie erkennbar. Aber in gewisser Weise hat es jeder Mensch in seiner innersten Matrix eingeschrieben. 

Die Frage, diese Matrix zu erkennen ist nun eine Frage der Begriffsklärungen. Weil Begriffsklärung immer auch eine Frage der Selbsterkenntnis ist. Jede von der Wahrheit der Trinität abweichende Erkenntnis ist somit hier oder dort, dann oder wann, in einer Selbsttäuschung erkennbar. Das Spektrum der möglichen Ursachen von Irrtümern ist so groß wie es Menschen gibt.


Morgen Teil 2) Ein bißchen schwanger geht nicht





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