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Freitag, 22. Dezember 2017

Niemand darf zur Nächstenliebe gezwungen werden (3)

Teil 3) Was zulässig, ja wünschenswert -
aber nicht durchführbar ist




In jedem Fall muß der Arbeiter (der Mainzer Bischof Ketteler zählt auch die Handwerker und Gewerbetreibenden zu den Arbeitern, nicht nur den "Tagelöhner" im weitesten Sinn, der also seine Arbeitskraft zur alleinigen Ware machen muß) in der Lage sein können, sich und den Lebensunterhalt seiner Familie in ausreichendem Maß durch Arbeit zu verdienen. 

Wenn es ihm dazu an Kapital mangelt, um diese Selbständigkeit zu erreichen - die auch als Unternehmensbeteiligung denkbar und wünschenswert ist - so wird aber von gewissen Kräften (Ketteler nennt sie "radikal"; vermutlich hat er auch darin Recht, denn wir sind politisch schon so viel gewöhnt, daß wir die absoluten Maßstäbe längst verloren haben, an denen Ketteler noch näher dran war) argumentiert, daß staatliche Hilfen zulässig, ja erwünscht seien. 

Dagegen wenden sich die Liberalen. Wenn der liberale Wirtschaftsgeist aber meint, dies sei nicht zulässig, so sei er daran erinnert, daß es auch kein liberales Unternehmen gibt, das gänzlich ohne staatliche Zuwendung bestehen kann. Sei es durch Zinsgarantien, Haftungen, Vorschüsse, die Errichtung und Beistellung von Infrastruktur, Schutz durch die Exekutive, Gerichte, etc. pp. Auch dieses Argument ist irrelevant, daß die Liberalen gerne damit argumentieren, daß ja an ihrer Tätigkeit (bzw. der des Kapitals) Staatsinteresse bestünde - warum soll an einer Eisenbahn mehr Staatsinteresse bestehen als an der Hebung des Lebensstandards der Arbeiter? Außerdem bekundet der liberale Wirtschaftsgeist gerne, daß er eine Hebung des geistigen Potentials der Arbeiter für wünschenswert hält und deshalb darein zu investieren sei - warum aber soll dann diese Hilfe nicht zulässig sein, wenn es um fehlendes Kapital geht?

Der wirkliche Grund, warum eine staatliche Hilfe zur Erlangung der Selbständigkeit (oder als Teilhaberschaft in Genossenschaftsbetrieben etwa) abzulehnen ist liegt auf einem anderen, dem praktischen Gebiet. Selbst wenn der Gedanke etwas Bedenkenswertes zu haben scheint. Es ist nämlich nicht möglich, allen und allen gleichzeitig zu helfen. Aber nicht nur das. Das Prinzip der Massendemokratie setzt bekanntlich beim Grundsatz an, daß alles Recht vom Volke ausgeht. Es ist allgemeine Überzeugung geworden, daß es kein objektives Recht mehr gibt. Dieses könnte nämlich nur im göttlichen Recht seine Legitimation finden. *

Damit ist aber alles Recht, was das Volk mehrheitlich beschließt. Es gibt keine Appellationsmöglichkeit, keinen allen gleichermaßen übergeordneten (auch moralischen) Maßstab mehr. Damit würde und wird die Gesetzesmaschinerie zu einem Feld des Wettkampfes aller gegen alle, jedes Gesetz ist ja auch wieder zu kippen. Damit werden alle Leidenschaften entzündet, deren der Mensch fähig ist, und das Recht würde bald zu einem Schlachtfeld ungebundener Selbstsucht. Denn jeder hält sich selbst am meisten berechtigt! Diese Religionsferne hat mittlerweile sogar bewirkt, daß die Verfassungen - die solch einen übergeordneten Maßstab abgeben sollen - zu reinen Formalübungen werden, die keinen inhaltlichen, sinnhaften Auftrag mehr besitzen - davon haben sie sich entfernt, dem sagen sie sogar oft schon explizit ab - sondern nur noch den technischen Rahmen des Rechts abgeben**.

Im Falle einer Staatshilfe zur Kapitalbildung hieße das, daß ein unerbittlicher Kampf um diese Hilfen einsetzen würde. Gesetzesversammlungen würden zu einer Bühne des Wettkampfs der gemeinsten Selbstsucht und der niedrigsten Leidenschaft werden. Unausbleiblich würde Korruption zum alltäglichen Geschäft.*** Statt sozialen Friedens, würde das genaue Gegenteil eintreten. Josef Pieper nennt deshalb die soziale Verfaßtheit moderner westlicher Gesellschaften "Kampfverhältnisse". Der heutige Mensch steht in unseren Staaten in einem Dauerkrieg.




*Vielmehr leben wir heute in einer "Rechtsfiktion", schreibt Ketteler. Darüber in nächster Zeit noch mehr.

**Der Großteil der heute so aktuellen Migrationsfragen muß aus genau diesem Grund betrachtet werden. Die heutige Massenzuwanderung wirft erst deshalb so viele (gar nicht lösbare) Probleme auf, weil die nach 1945 beschlossenen Verfassungen formal auf eine derartige Horizontverschiebung (vor allem, auf welches Volk mit welcher seelisch-moralischen Verfaßtheit sie sich beziehen) gar nicht vorbereitet und deshalb gar nicht tauglich sind, sozialen Frieden zu bringen. Sowohl in Deutschland wie in Österreich werden deshalb in diesen Tagen die Gerichte mit Beschwerden überschwemmt, die das Rechtssystem völlig überfordern, aber in diesem erwähnten Umstand ihren Grund haben. Denn das Recht kann sich nicht "aus sich selbst" setzen. Es braucht einen absoluten Maßstab, der es bis ins kleinste Bezirksgericht, wo in jedem Urteil Gesetze auf ihren Sinn hin ausgelegt werden, formiert. Wir erleben deshalb heute eine Rechtslage, die dem inneren Leben des Volkes über weite Teile hinweg gar nicht mehr entspricht, sondern von Revolutionären, Menschen oder gar nicht mehr ausgrenzbaren Menschengruppen mit egoistischen Partialinteressen, jederzeit überspült werden kann. 

In den Augen des VdZ streben wir in unseren Ländern deshalb auf einen Totalkollaps des Rechtssystems zu. Und das, weil unserem Rechtssystem der absolute Maßstab fehlt, den nur die Kirche darstellen könnte, aus deren Geist unsere Kultur entstand. In unserer momentanen Situation erleben wir hingegen sogar deren Scheitern. Aber das hat mehr mit ihrer Defunktionalisierung zu tun (die sie aus dem Beziehungs- = Verantwortungsfeld - dem logos - hinausgedrängt hat) als mit den psychologischen Folgen der Verbeamtung des Klerus durch die moralisch illegitime, seelisch verderbliche Kirchensteuer. In der sich mittlerweile die Kirche zumindest implizit sogar dem Staat unterstellt sieht.

***Wer da nun glaubt, daß das zu pessimistisch sei, der möge sich bitte die politische Geschichte Österreichs in den letzten 70 Jahren ansehen. Wo sich die beiden Großparteien ÖVP und SPÖ das Land regelrecht aufgeteilt haben. Wer nunmehr eine der immer üppiger ausgebauten staatlichen Förderungen, ja wer auch nur eine Wohnung wollte, oder wer sich um einen Staatsauftrag mühte, der mußte dabei zumindest der jeweiligen, das Sachgebiet verwaltenden Partei beitreten und deren Vertretern zu Gesicht stehen. Auch das ist Korruption! Und sie hat Österreich bis ins letzte Fitzelchen Mark durchwuchert. Bis heute.






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