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Donnerstag, 21. Dezember 2017

Niemand darf zur Nächstenliebe gezwungen werden (2)

 Teil 2) Niemand kann aber zur Wohltätigkeit gezwungen werden
 - der Sozialstaat heutiger Prägung ist verheerendes Unrecht



Zwar kann ein Eigentümer, schreibt Bischof Ketteler von Mainz 1864 weiter, auf gerichtlichem Wege gezwungen werden, alle seine Rechtspflichten zu erfüllen, er kann auch gezwungen werden, auf dem Wege der Besteuerung die allgemeinen Gemeindesteuern und Staatslasten zu tragen. Aber er kann nicht gezwungen werden, über jenes vorher angegebene Maß hinaus dem Mitmenschen zur Verbesserung seiner materiellen Lage sein Eigentum abzutreten. Hier tritt der Unterschied ein zwischen den Pflichten der Gerechtigkeit und den Pflichten der christlichen Nächstenliebe. Und die Pflichten der christlichen Nächstenliebe sind ebenso wahre Pflichten, wie die Pflichten der bürgerlichen Gerechtigkeit, aber sie unterliegen einer anderen Gerichtsbarkeit. 

Der Eigentümer, der das Almosen nicht spendet, wo er es unzweifelhaft spenden müßte (und hierzu gehört auch, den gerechten und das heißt auskömmlichen Lohn vorzuenthalten, Anm.), wird auch von den christlichen Lehrern dem Dieb gleichgestellt.

An dem großen Gerichtstage, wo über alles gerichtet wird, und die ewige Gerechtigkeit zur vollen Anwendung kommen wird, da wird sogar der ewige Lohn und die ewige Strafe nach den Worten des Heilandes nach der Erfüllung dieser christlichen Liebespflichten bemessen werden. 

Hier auf Erden aber hat er nicht den ganzen Umfang seiner Gerechtigkeit dem Staate und der Staatsgewalt zur Handhabung durch äußerste staatliche Gewalt übertragen. Sondern nur einen Teil derselben, nur jenen Teil, der ganz notwendig war, um Ordnung und Frieden auf Erden unter den Menschen zu erhalten.

Dadurch ist aber eben den Menschen auf der einen Seite jener große Spielraum eingeräumt, dessen sie bedürfen, um ihre Freiheit zum Verdienst oder zur Schuld gebrauchen zu können. Auf der anderen Seite ist aber auch wieder jene Schranke gesetzt, ohne welche der Mißbrauch der Freiheit eine allgemeine Unordnung, einen allgemeinen Kampf hervorrufen würde. Die staatliche Zwangsgerechtigkeit geht nur bis auf eine gewisse Grenze, die zum Schutze aller und zur Ordnung notwendig ist.

Von da an beginnt das Gebiet der Freiheit, auch der Freiheit des Eigentums. Das aber wieder ganz ein Gebiet der Pflicht ist. Aber der Pflicht in der höchsten, edelsten Form, wo der Mensch in freier Pflichtbestimmung, in freier Erkenntnis seines Verhältnisses zu Gott, zu den Nebenmenschen und zu seinem Vermögen, sich seines Vermögens teilweise entäußert, um die Werke der Nächstenliebe zu üben. Das Gebiet der strengen bürgerlichen Gesetze ist aber noch kaum menschlich zu nennen. Es ist ein sehr niederes Gebiet, und die bürgerliche Gerechtigkeit ist die unterste Stufe des sittlichen Lebens und menschlichen Daseins.

Über diesem Gebiet hingegen liegt die höhere Gerechtigkeit, die einst Gegenstand des Weltgerichtes sein wird, die uns aber hier zur Übung der Freiheit und freien Selbstbestimmung überlassen wird. Hier zählt nicht Staatsgesetz und Steuer und Kammermajoritäten, sondern alleine der Wille Gottes, in dem er das höchste und vollkommenste Gut und den Herren aller Dinge erkennt. Hier steht der Mensch nicht vor einem weltlichen Richter, sondern vor dem eigenen Gewissen, in dem er sich selbst Gericht sitzt, und sich nach dem Gesetz Gottes und dem Gesetz Jesu Christi verurteilt: ob er seinem armen Mitbruder die Werke der christlichen Barmherzigkeit als heilige Schuld geleistet hat und ihm einen Teil seines Eigentums als Eigentum abgetreten hat.

Dieses zur Freiheit und freien menschlichen Tätigkeit, ja zur Würde der Persönlichkeit so wesentlich gehörende Verhältnis wird aber durch das Projekt der durch Majoritäten dekretierten Staatshilfe gänzlich aufgehoben.

Während im Staat des Mittelalters die größten Opfer für soziale Zwecke, für Wissenschaft und Religion, für das Ansehen und die Würde der bürgerlichen Gemeinde ganz und ausschließlich durch freiwillige Beiträge, also aus der persönlichen Gesinnung zusammenflossen, können jetzt alle diese Bedürfnisse nur mehr durch ein immer weiter ausgebildetes Steuer- und Zwangssystem, an dem sämtliche Staaten fast zu Grunde gehen und bei denen freie Selbstbestimmung und Gesinnung gänzlich in den Hintergrund treten, aufgebracht werden.  

Man sieht hier, wie diese Idee des Steuer- und Zwangssystems immer weitergeht, und wie dadurch die moderne Richtung bekundet, daß ihr alle Prinzipien der Freiheit fehlen. Das Christentum führt die Individualität zur vollen Freiheit, der moderne Geist vernichtet die Individualität selbst in ihrem Eigentumsverhältnis.

Mag deshalb auch der Vorschlag der radikalen Parteien, durch Majoritätsbeschlüsse auf dem Wege der Gesetzgebung und der Steuererhebung dem Arbeiterstand zu helfen noch so menschenfreundlich erscheinen - er ist nicht berechtigt! Deshalb ist er auch nicht wahrhaft menschenfreundlich. Denn es steht nicht in der Befugnis der Staatsgewalt, in dieser Weise und für solche Zwecke in das Recht des Privateigentums einzugreifen. Dadurch würde der Staat auf fatale Weise abwärts geführt. 

Wenn solche Beschlüsse dennoch gefaßt werden ist mit Gewißheit vorherzusehen, daß bald weitere Mehrheitsbeschlüsse folgen werden, die noch tiefer in das Eigentum eingreifen. Dieses Prinzip einer öffentlichen Fürsorge dieser Art ist deshalb verderbenbringend. Denn es steht im Widerspruch mit der göttlichen Ordnung, die Gott festgestellt und uns in den Grundlagen des Christentums erklärt hat.

Nicht der Staat kann deshalb ein soziales Gefüge aufrechthalten, sondern nur die Kirche als Bezugspunkt für die Moral der Menschen. Denn ein Staatswesen kann individuelle Freiheit niemals entbehren, weil sich der Staat sonst sein Lebensprinzip selbst wegnimmt.


Morgen Teil 3) Was zulässig, ja wünschenswert -
aber nicht durchführbar ist





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