Die einzige wirkliche ästhetische Möglichkeit der Architektur liegt, meint Schopenhauer, in einer Darstellung der Idee des Materials - der Schwere, der Starrheit. Und diese sind nur darstellbar durch eine "Darstellen ihrer Idee - Schwere, Starre ... - in der Zeit", also durch ein Verzögern ihres allerersten Bestrebens.
Die Idee der Architektur sind also die Grundkräfte der Natur. An sich würde nämlich ein Gebäude dazu tendieren, ein Klumpen oder Würfel Material zu sein.
Das Gewölbe aber, das sich trägt, ehe es sich auf schmale Säulen abgeleitet stützt ... der Balken, der zu schweben scheint ... Jedes Teil sollte so eingefügt sein, daß es wegzunehmen den Einsturz des Ganzen nach sich zöge. Diese Eingefügtheit - als tragend, als erklärend, als Übersicht verschaffend ... - macht die Harmonie eines Gebäudeganzen aus, das sich als Gesetzmäßigkeit offenbart. Wenngleich letzteres von nachrangigem Werte ist - auch Ruinen werden noch als schön empfunden ...
Darüber hinaus bleibt dem Gebäude nur noch Zweckhaftes, und insofern Zeitgebundenes. In dieser Erfüllung von Zwecken also liegt seine Aufgabe.
Schopenhauer geht deshalb so weit, als er wirkliche Architektur nur mit schweren Materialien - Stein - möglich sieht. Ein Gebäude als Balsaholz würde als Trug empfunden, ja er bezweifelt, ob es überhaupt schöne Architektur aus Holz geben könne: die Kenntnis des Baustoffs ist für den ästhetischen Genuß eines Bauwerkes wesentlich, weil sie sich in die Vorstellung des Gebäudes einmischt.
*300610*