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Dienstag, 1. Juni 2010

Lebendige Dinge

Also die Dinge sind tot. ... Von jeher hatten sie von der Mühe gelebt, die man sich um sie machte. Schwer begreiflich: Aber um Mühe gaben sie Leben. Man wollte sie mühelos, man wollte sie hergestellt haben. Das gelang auch. Aber um den Preis ihres Lebens. ... Eines Tags ... wird in den Zeitungen stehen: Wie jetzt erst bekannt wird, sind die Dinge verstorben. Wir werden darauf noch zurückkommen.

Aber zur Zeit dieser Meldung werden nicht mehr Viele verstehen, was gemeint ist. Nur sehr alte Leute werden sich erinnern, in ihren jungen Tagen davon gehört oder gelesen zu haben: irgendwann einmal, vor Zeiten, lustige Vorstellung, sollten die Dinge, der Mond und der Bach und die Tanne, die Stadt und die Bucht und das Kornfeld gelebt haben.

Erhart Kästner, Aufstand der Dinge



Der Buchhändler schreibt zurück, als ich ihm für das gut erhaltene, preiswerte Buch ("Aufstand der Dinge"), und die angenehme Abwicklung danke. Es freue ihn, zumal bei diesem Autor. Als er selbst 1973 ins Krankenhaus Mainz eingeliefert wurde, hatte er sich ein Buch - von Erhart Kästner - mitgenommen und auf den Nachttisch gelegt. Als die Krankenschwester kam, stutzte sie. Was denn sei, meinte er? Naja, antwortete die Schwester: Unmittelbar vor Ihnen ist als Patient - eben dieser Erhart Kästner in eben diesem Bett gelegen.

Nun freilich sei er, der Buchhändler, über achtzig, und müsse sich von allen seinen Büchern trennen, mit denen zuweilen so viele Geschichten verbunden seien. Das falle ihm schwer. Aber gewiß leichter, wenn er sehe, daß sie in gute Hände gelangten. Wenn sie nicht tot und begraben seien - sondern weiter lebten.



*010610*