Nun schreibe ich doch ein Wort zur Fußballweltmeisterschaft in Südafrika. Denn es macht mich betroffen zu lesen, daß sich angeblich erste Ernüchterung breitmacht (Presse): alle haben sich so viel mehr von dieser WM erwartet! Die Geschäftsleute, die Arbeitnehmer, die Anbieter von Pizzen und T-Shirts, die Kämpfer für sozialen Fortschritt, und nicht zuletzt die Fußballfans ganz Afrikas, die nun erleben, daß ihre Mannschaften keine Chance gegen die übrige Welt haben.
Ein Turnier ist ein Fest. Das ist sein Wesen. Und ein Fest auszurichten kostet Geld. Das ist Teil dieses Wesens. Das macht auch seine Nähe zur religiösen Sphäre - der das Feiern entstammt! - so greifbar: man hört auf, zu rechnen, man begibt sich in die Hand (des) Gottes, liefert sich aus.
Natürlich dem Anlaß gemäß bemessen, werden dann keine Erbsen gezählt, und keine Koteletts und keine Faß Bier. Diese Unbedarftheit ist der wesentlichste Faktor beim Feiern, wo etwas im Mittelpunkt steht, das den alltäglichen Zwängen des Lebens nicht angehört! Hier: Spiel, Bewegung, das Spielgerät, das Gemeinschaftserlebnis, der Spaß an der Freud.
Und da komme keiner und sag: Ja, aber leider, heute ist ja alles so verkommerzialisiert. Die Welt ist eben schlecht.
Wer zwingt mich, es so zu sehen? Kein Kommerz der Welt kann den Ausgang eines Spieles wirklich beeinflussen, das macht gerade im Fußball viel von seiner Faszination aus. Und wenn ich ein Fest ausrichte, dann weil ich mich eben löse von aller Notwendigkeit. Einen guten Gastgeber kennzeichnet, daß er seine Gäste in diese Atmosphäre der Zeitlosigkeit, der Ausnahmezeit versetzt.
Und mitten drin nun stellt er seine Gäste zur Rede und fordert, sie sollten sich gefälligst anders verhalten, denn sie bringen ihm nicht das, was er sich erwartet hat? Ist das der Effekt westlicher Bildung, die man nach Afrika zu schaufeln sich so rühmt, daß nun auch dort alles "etwas bringen" muß, und eine Fußball-WM gefälligst Umwegrentabilitäten und Demokratisierungsschübe auszulösen hat?
Gerade von Afrika hatte ich erhofft, daß es diesen Sinn fürs Spiel noch bewahrt hat, diese Kindlichkeit der zweckvergessenen Freude. Denn nur an solch einer Hoffnung vermag sich Leben wirklich wieder jene Gestaltungskraft und Atemluft holen, aus dem heraus es mit neuer Kraft bewältigt wird. NACH dem Fest.
Und jetzt kommen die Erbsenzähler und Kleinbürger, und rechnen uns vor, machen uns ein schlechtes Gewissen vielleicht, weil statt eines Fußballfestes kein positiver Effekt für die afrikanische Wirtschaft, kein Ruck zur Änderung sozialer Mißstände, oder das was manche als solches Empfinden, einzutreten droht?
Schämt Euch. Zu Euch kommen wir nicht mehr.
Oder es war blanker Zynismus und typische rationalistische Trottelei Versace-Anzüge tragender Businessmen Londons und Schlabberlook tragender Gutmenschen, den Afrikanern eine Fußball-WM aufzuschwatzen, weil die "so viel bringt"? Welches Fest "bringt" etwas? Wo es doch unabdingbarer Teil eines Festes ist, gerade das nicht zu beabsichtigen?
Gäste einzuladen, ein Fest zu veranstalten, das kann nur jemand, der auch feiern will. Nicht jemand, der im Kopf die Registrierkassen klingeln hört und vorwurfsvoll die Stimme erhebt, weil die Gäste nicht mehr zu bringen drohen, als sie kosten. Solche Gastgeber versäumen gerade das, was ein Fest tatsächlich bringt.
*190610*