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Sonntag, 27. Juni 2010

Liturgie IST Sprache

Der Äthiope, erzählt Leo Frobenius 1930 in "Paideuma", sieht den alten Mann als reife Frucht, die in die Erde geht und stirbt, so daß aus ihr neue Frucht wiedergeboren wird - er wird in seinen Nachkommen wiedergeboren. Der junge Mensch hingegen kann nicht wiederkommen.

Das so auszudrücken wäre aber der wirkliche Äthiope nicht in der Lage. Denn sie sind unfähig, ihre Sitten auch nur zu schildern, so selbstverständlich sind sie ihnen. Geschweige denn, sie zu erklären, also ihre Anschauung in Worte zu kleiden - ihre Empfindung anders als in unbewußten Sitten und Gebräuchen zum Ausdruck zu bringen. Die Sitten und Gebräuche sind bei ihnen gewissermaßen Ausdrucksformen dessen, was bei uns die Sprache, das Denken, das Bewußtsein wiedergeben; sie stellen eine Stufe dar, die (lokal, nicht wertend, Anm.) unter der liegt, auf der wir uns bewegen. Das "Wissen" der Äthiopen ist gleichsam unbewußt; es bewegt sich auf der Fläche des Gemütes.

Sitte als Sprache ... muß man da nicht schmunzeln, wenn man die Verbalisierungsorgie hiesiger Liturgie vor Augen hat? Als wäre Liturgie und Handlung nicht Sprache selbst.

Das Wissen der Äthiopen, so Frobenius, ist ident mit ihrem Erleben. Das macht sie zu kaum faßbar aufrechten, geradlinigen, klaren und sittlichen Menschen.




*270610*