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Montag, 14. Juni 2010

Heiliger Herzschlag

"Geht es Euch Schauspielern denn nicht genauso," schrieb mir einmal P. Eugenius in einem seiner Briefe: "daß es die Geduld und die Übung braucht, bis ein seltsamer Zustand erreicht ist: Ab dem erst der Text beherrscht wird, ab dem ihr in Euch eine merkwürdige Distanz einerseits habt, um anderseits so sehr wie noch nie die Figur, die Ihr seid, zu gestalten!? 

Ab diesem Zeitpunkt - und ich erlebte ihn vor nun schon etweilen Jahren, als ich meine erste Priesterstelle bekam, das muß also etwa 1961 gewesen sein - begann mich etwas zu erfassen, das ich nur noch als Heiliger Rhythmus bezeichnen kann. Zusammen mit dem Ministranten, dem Wechselgebet, begann die ganze Heilige Messe in einem fortwährenden Herzschlag zu oszillieren. Und von diesem Moment an erst begriff ich, was es heißt, daß sich das Leben von der Messe her zu ordnen und zu durchbluten beginnt. Da war kein Augenblick des Nachdenkens mehr, schon gar nicht, was denn als nächstes käme - sondern ICH WAR dieser Rhythmus, und noch nie besaß ich das, was ich tat so sehr.

Und alle Gebete waren ein einziges Atmen, und alles Gehen war ein rhythmisches Schreiten und Bewegen ... tam ta ta ta tam ta ta ta und tam und tam und ta ta ta ... Da war kein Platz mehr für subjektivistische Frömmlereien, für langatmige Gebetspausen, wie ich sie bei so manchen meiner früheren Vorbilder gar erlebt hatte - alles das war nur noch eine Störung des Heiligen Geschehens, das hier, in diesem Augenblick, tatsächlich - und ich meine: tatsächlich! das war ja das, was ich begriff! - stattfand, und von dem ich ein Teil war, ja das ich darstellte, in persona Christi.

Was diesen Heiligen Herzschlag störte, das hatte keinen Platz in der Heiligen Messe. Das Wesen Gottes ist im Puls! Jede Schönheit ist nur eine Frage des Rhythmus, als innerste, eigentlichste Struktur der Ordnung!

Genau das hat man dann zu Ende der 60er Jahre mit unglaublich geschmackloser, gefühlloser Hand gebrochen, und DAMIT war für mich das Herz vom Leib der Kirche in Wahrheit abgetrennt. Daß der Meßbesuch damit zusammenbrechen würde, war für mich völlig logisch und unausweichlich.

Schon gar als ich sah, wie auf der Bühne, daß die Priester begannen, die fehlende Liturgie - das schwache Stück, wie Ihr Schauspieler es dann erlebt - durch "Überspielen" zu ersetzen. Dasselbe, wieder, wie bei Euch Schauspielern zu beobachten ist: Ist das Stück schlecht, taugt es nicht, beginnt die Outrage, beginnt ihr Euch dem zuzuwenden, dem man sich genau niemals zuwenden darf: Dem, was einem Spiel, einem Handeln mittelbar innewohnt, den eigentlichen Früchten und Inhalten. Plötzlich merkte man, auch ich habe es gemerkt, wie man sich genötigt fühlte, dem, was man da in der Messe tat "Inhalt" zu geben - er war nicht mehr da.  

Plötzlich mußten sich alle dessen vergewissern, das niemals direkt zu erzielen ist - sie begannen zu heucheln, zu behaupten, vorzuspielen ... die Zeit der charismatischen Erneuerungsbewegungen brach an. Sie unterscheiden sich in nichts von den Zeiten nach Martin Luther, die ihren Gipfelpunkt in den Schwärmer- und Pietistenbewegungen hatten - alles wiederholt sich nur: Es ist die Zeit der schlechten Schauspieler!"



*140610*