Dieses Blog durchsuchen

Samstag, 5. Juni 2010

Wie sich die Zeiten ändern

Unter kommunistischen Zeiten sorgte Rußland über die hohe Nachfrage nach Getreide am Weltmarkt für "stabile Preise". Das Land war nie in der Lage gewesen, sich selbst zu versorgen, und das bei solch riesigen und an sich fruchtbaren Anbauflächen! Auch die österreichische (subventionierte) Überproduktion fand ihren sicheren Abnehmer, wobei die Preise "Staatsangelegenheit" waren. Eines jener Mittel, mit denen sich Österreich seine "Freundschaft" mit der Sowjetunion erkaufte.

Noch bis in die 1990er Jahre war Rußland Importeur. Das hat sich mittlerweile geändert. Bereits 2002 exportierte Rußland über fünfzehn Millionen Tonnen Weizen, hält mittlerweile bei vierzehn Prozent des Welthandelsvolumens (2000: 0,5 %) für Weizen, und wird bei gleichbleibender Entwicklung die USA bald überholt haben, deren Anteil am weltweit verkauften Weizen im selben Zeitraum von sechsundzwanzig Prozent auf neunzehn Prozent fiel.

Und Nahrungsmittel werden weiterhin stark nachgefragt werden, denn gerade jene Länder, die hohe Bevölkerungswachstumsraten aufweisen (Afrika, Kleinasien, und hier wiederum vor allem die Länder mit muslimischer Bevölkerung), sind kaum in der Lage, selbst genug Lebensmittel zu produzieren. Auch wenn der größere übrige Teil der Welt in der Bevölkerungszahl stagniert, ja rückläufig ist, wird auch durch die Verlagerung der Nachfrage (höherer Lebensstandard für Giganten wie China und Indien bringt mehr Fleischverzehr, und dafür steigt die Nachfrage noch stärker, weil Fleisch doppelten Getreideverbrauch - als Futtermittel - bedeutet) der Bedarf nach Getreide weiterhin steigen. Still und heimlich hat sich deshalb gerade unter den großen Mächten (China!) eine neue Form von Kolonialismus herausgebildet, der nicht mehr mit Soldaten, aber mit Kapital, einen weltweiten Verteilungskampf um Anbauflächen führt.

Und es berührt seltsam, wenn man durch den Oderbruch (als Beispiel) fährt und zahlreiche niederländische Fahrzeuge sieht - Landwirte, eigentlich Unternehmer, die die aus den Auflösungen der Produktionsgenossenschaften freigewordenen, riesigen Anbauflächen gepachtet oder gekauft haben, um nun dort ... wieder Getreide oder Raps (Bild) anzubauen! Was den ansässigen Landwirten (so es sie noch gibt) wohl zu wenig lohnend ist. Eine Kolchosenruine reiht sich dort nämlich an die andere. Dabei wird das Getreide sogar schon verbrannt! Die Nachfrage ist also hoch: in der EU sind "Biosprit-Beimischungen" im Treibstoff sogar Gesetz!

Übrigens, und nur so ganz nebenbei: Es gibt erstaunliche Parallelen zwischen der Größe von intensiv genutzten landwirtschaftlichen Anbauflächen, und hier vor allem: Reis (China 11. bis 16. Jahrhundert), wegen der Methangase aus überfluteten Flächen, und dem CO2-Gehalt in der Atmosphäre (samt Temperaturanstieg).

Ein ähnlicher Wettlauf um Anbauflächen hatte in den 1990er Jahren intern in Rußland stattgefunden. Weitsichtige Russen hatten damals riesige Anbauflächen aufgekauft, teils sogar zu überhöhten Preisen, weil ja ohnehin alles Spekulation war. Die sich aber für viele längst gerechnet hat. Denn sie haben es geschafft, daß der Getreideanbau nicht nur unvergleichlich ertragreicher, sondern eben profitabel wurde. Damit ist Rußland - die "fette russische Erde" ist legendär, neben dem amerikanischen Mittelwesten hat Rußland mit der Ukraine die größten Schwarzerdgebiete (simpler Anhaltepunkt: je lichtbraun-lehmiger, "podsoliger" Erde wird, desto weniger Nährstoffe enthält sie) der Welt - erstmals seit den 1920er Jahren wieder in der Lage, sich selbst, und bald die halbe Welt, mit Getreide zu versorgen.

Nur der nach wie vor gegebene Qualitätsvorteil des amerikanischen Weizens hält die USA an der ersten Stelle als Getreideexporteur - er enthält mehr Eiweiß. Aber daran wird gearbeitet, so wie an der Verbesserung der Anbau- und Erntemethoden (meist mit westlichen Maschinen) erfolgreich gearbeitet wurde. So erfolgreich, daß russischer Weizen auch deutlich billiger ist als amerikanischer.



*050610*