Immer wieder wird man überrascht, welche schlichte Fakten Crane Brinton in seiner Untersuchung über historsiche Revolutionen ans Tageslicht bringt, wieviele Standardsätze unseres Alltag schlicht und ergreifend nicht stimmen, sondern lediglich aus politischer Nützlichkeit in die Welt gesetzt wurden und tradiert werden.
Dazu gehört die Mär, daß große soziale Gegensätze große soziale Spannungen hervorbrächten. Mitnichten, denn zum Gegenteil: die größten sozialen Spannungen, schreibt Brinton, die größten Haßgefühle, die dann auch zu Revolutionen führten, finden sich nachweislich dort, wo die sozialen Unterschiede gering, die soziale Stellung weitgehend angeglichen und eigentlich allen alles möglich ist.
Der Kaufmann, dessen Tochter auch einen Adeligen heiraten kann, weil es niemanden mehr stört, der entwickelt oft krankhaften Haß auf den Adel, bis er ihn als unter sich stehend ansieht, weil die Einschätzung seiner praktischen Tüchtigkeit im Rahmen eines gegliederten Gesellschaftsganzen zu verfehlten Parametern führte.
Die Ärmsten revoltieren? Nie, so gut wie nie in der Geschichte kam es jemals zu wirklichen Revolten der Ärmsten, mit wenigen Ausnahmen, wie Haiti (wobei das Land selbst ja nie zur Ruhe kam; genau weil ihm eine organische gesellschaftliche Gliederung fehlte, freilich aus problematischen Gründen).
Unterdrückerische Regime, die perfekt organisiert sind, sind Ursache von Revolutionen? Nein, nie. Eine der historisch feststellbaren Vorbedingungen für eine Revolution ist eine inkompetente, ineffiziente, erstarrte Verwaltung, und vor allem: eine Verwaltung, die den Expansions- und Neuerungswünschen der mittelständischen Wirtschaftstreibenden entgegenläuft! In dieselbe Kategorie fällt die falsche Vorstellung, Diktatoren würden gestürzt, weil sie selbstbewußte Tyrannen seien.
Im Gegenteil - Vorboten einer Revolution sind die Selbstzweifel einer ihre eigene Stellung als Elite selbst aufweichenden Führungsschichte, häufig schon in verzweifelter Dekadenz sittlich abgestiegen. Gerade der Verzicht auf die eigene, traditionelle Vorrangstellung, das Heruntersteigen auf das Niveau der "gemeinen Bürger" provoziert einen Aufstand - weil diese vermeintliche "Großmütigkeit" nämlich die gesellschaftliche Organisation auflöst, und umstürzlerische Gedanken weckt. Ja oft sind gerade ihrer Stellung unsichere Eliten maßgeblich Träger und Impulsgeber revolutionärer Umtriebe. Auslöser von Revolutionen sind auffällig oft aber einfach die finanziellen Probleme der Regierungen, die Zerrüttung der Staatsfinanzen. Mit einem Wort: die Selbstschwäche der Führenden.
Der nächste Irrtum betrifft die Menge der Revolutionäre - immer sind es nur kleine Minderheiten, und zwar überwiegend aus den mittleren bis gehobenen Schichten, die eine Revolution beginnen und führen. Die zwar für kurze Fristen auch die Massen bewegen können. Doch ausnahmslos immer verlangt die Masse nach relativ kurzer Zeit wieder ihre Ruhe, und will einfach ihr normales Leben von früher fortsetzen.
Und schließlich ist es frappierend (wenn auch nicht immer sofort) zu sehen, daß ausnahmslos jede Revolution nach Ablauf all ihrer Phasen zwar eine gewisse Durcheinanderwirbelung der Personengruppen brachte, manche Dinge v. a. der Staatsverwaltung auch wirklich nachhaltig geändert sind, aber nach gewissen Jahren sich weitgehend die Stände und Klassen und Institutionen unangetastet dort wiederfinden, wo sie vor Beginn der Revolution waren. NICHTS wurde durch eine Revolution jemals wirklich geändert: es blieben die Pferde, die Ställe, die Wege, nur die Reiter wechselten.
Morgen 2. Teil) Revolutionen sind aber vielleicht eine notwendige Kraftabfuhr
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