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Montag, 30. Mai 2011

Das Geheimnis des Schauspielers, das Geheimnis der Gegenwart

Es gehört zum Schönsten, was ich bislang über Schmuck, Schminke als Selbstinterpretation gesehen habe: Denn Identität heißt vor allem, sich unter ein Wort zu stellen! Es heißt sich zu entscheiden, wer man ist, wo das Ziel ist, auf das man zugeht. ABER: dieses Ziel ist die Entscheidung für die Interpretation einer der vorgegebenen Möglichkeiten, es ist nicht beliebig! UND: ALLE  zu interpretieren ist nicht (bzw. nur Gott selbst) möglich. Nicht auf einmal, sondern nur in der Zeit, und in anderem Raum, mit der Gefahr des Verlusts der Identität, die konkret sein muß. Erst im Alter, erst durch die Überwindung der Zeit (und: Zeit ist relativ zum Seienden, das "Alles" ist "unendlich"!), in der Universalität, wo vieles Einzelne zu einem Allgemeinem wurde, können alle Möglichkeiten in einem Gesicht zusammenfallen.

Der Schauspieler ist im Grunde also der, der die Zeit überwunden hat, indem er sich, sein in der Welt eine Rolle spielen, überwunden hat. An ihm können deshalb "alle" sichtbar werden. Genau das zeigt aber, daß es für den Nicht-Schauspieler schwere pathologische Folgen hat, sich NICHT für eine konkrete Maske zu entscheiden, wenn sein Leben also nicht Arbeit an EINER Maske ist, sondern der - wie der Schauspieler, der eine bestimmte innere Disposition dafür braucht, der sich selbst zum Spiel sein muß -

Die Hollywoodisierung der Menschen heute hat deshalb ganz schwere Folgen für die psychische Gesundheit der Menschen! Sie entreißt ihnen überhaupt das "etwas sein", indem es die Illusion nährt, Schauspieler zu sein (als Identitätsform!) wäre jedem möglich. Die Unfähigkeit zur Identität - auch aus Feigheit, Faulheit, Schwäche, Angst - wird zum Schauspiel verklärt. Es ist keineswegs Zufall, daß die Anzahl der Schauspielschulen fast möchte man sagen: dramatisch, steigt. Sie fassen genau diese Symptomatik.

Das ist aber nicht Schauspiel! Der Schauspieler tut zwar nichts anders, als die Menschen tun, aber die Menschen tun nur bedingt, was der Schauspieler tut. Sie spielen auch, aber nur EINE Rolle, die in Spannung zu den Anforderungen zur Welt steht. Das ist das Wesen von Persönlichkeit. Der Schauspieler hingegen arbeitet mit dem Geheimnis des Menschseins überhaupt! Er verzichtet auf EINE Rolle im realen Leben, um alle Rollen auf der Bühne spielen, leben zu können. Als Projekt, als Vorhaben, an dem er sein Leben lang arbeitet. Ist er alles, ist er am Ende angelangt. Wenn er dort je angelangt.

Umgekehrt führt natürlich genau dieses Mißverständnis dazu, daß viele als Schauspieler gelten, die nur SICH spielen, ja, so wird auch erklärlich, daß um diese Schauspieler meist eine Art "Kult" entsteht, der nichts mehr hinterfragt, sondern aus dem Akteur eine Art "Gott" macht. Soll ich andeuten ... einen "Heilgen"? Noch deutlicher: einen "Seligen"?

Umgekehrt ist also das gesellschaftliche Leben selbst zu einer Art "Theatergardarobe" geworden: wo alles war man tut, nur noch zu einer Art Probe vor dem Spiegel geworden ist. Alle sitzen bereit, und warten darauf, daß jemand REAL klingelt. Nur: wenn alle in der Garderobe sitzen und warten, gibt es niemanden mehr, der klingelt! Und schon haben wir das Geheimnis von Facebook.

Aber wieviel auch sagt das Filmchen über das, was seitens mancher Regisseure und Theatermacher und Filmemacher an haarsträubendem Mißverständnis über das, was ein Schauspieler zu tun hätte, als Anforderung und Bewertungskriterium an den Schauspieler herangetragen wird. Weil nicht gesehen wird, daß es das Licht, die Maske, die Handlung, der Interpretationshorizont sein muß, der dann im Schauspieler aufblitzen läßt, was er IST. Daß es NICHT die Fähigkeit ist, Grimassen zu schneiden, so "zu tun wie". Sondern daß eine Rolle, ein bestimmtes "So-Sein", eine immanente und immer persönliche Qualität des Akteurs ist. Oder nicht.

Ich sage ja: das Filmchen ist eine großartige, begeisternd zentrale Gegenwartsmetapher!



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