Mit der Zentralperspektive, mit dem Naturalismus Giottos,
wechselte nicht einfach ein technischer Malstil, sondern in diesem zeigt sich
ein dramatischer Paradigmenwechsel in der Kunst: es geht im wahrsten Sinne
darum, WAS dargestellt wird, wie die Welt überhaupt ist.
Seit der Renaissance hat sich die Kunst also gravierend
geändert: sie ist zum Subjektivismus mutiert, und das Bild zeigt nicht mehr die
Dinge, sondern sie versucht sie als Schein darzustellen: wie sie uns
erscheinen. Vorher war (deshalb: die Unwichtigkeit des Namens; deshalb die
Ununterscheidbarkeit von Kunst und Handwerk!) das Gemalte, in Stein Gehauene,
objektiv festlegbar und festgelegt: im Allgemeinen Urteil, was das zu
schaffende Ding sei war jedermanns Urteil gefragt: als Abbild, in dem die
Wirklichkeit des Dings objektiv durchscheint.
Plötzlich aber zählt der Eindruck, das Bild vom Abbild.
Damit wird das Ding an sich, das Abbild, verstellt. Plötzlich beginnt der
Schatten (Zeichen fehlenden oder abgeschwächten Seins!) eine Rolle zu spielen,
plötzlich findet sich auf der Leinwand – auch das Ausdruck dieses Wechsels vom
Sein zum Schein: plötzlich der flatterhafte, leichte Untergrund – nicht mehr
das Ding an sich, sondern die Erinnerung an dieses Ding. Als Vorwegnahme
subjektiver Rezeption beim Betrachter!
Der Weg zur Photographie, und noch weiter, bis zur
Internet-Gesellschaft, ist damit vorgezeichnet. Plötzlich lösen sich die Werke
in die Technik hinein auf, die ethisch neutralisiert wird, zur reinen Anwendung
wird. Für Da Vinci ist es gleichgültig, ob er eine Kriegsmaschine entwirft,
oder einen Flugapparat, oder ein Bild. Übrigens: er lehnt sogar die
Freskentechnik ab, sein „Schein“ (Perspektive!) braucht das Experiment der
Anpassung an die Wirkung!
Darstellungsobjekt wird plötzlich die faktische Welt, in
allem Gemengelage aus Sein und Schein. Das Ding an sich aber, das Bild, wird
Schein, wird Gesagtes, statt Geschaffenes. Die Unterscheidung zur Ostkirche,
die in der griechischen Tradition verbleibt, liegt im Mut – im Hochmut? – das
Abstrakte, das einer konkreten Figur zugrundeliegt, so exakt auszudeuten, daß
im Konkreten das Abstrakte, das Allgemeine liegt. Die Ostkirche stellt das
Allgemeine an sich dar, aus dem sich das Konkrete hervortreibt. Dieser Weg
schützt das Objekt der Darstellung vor Profanierung! Während es in der
westlichen Kunst dieser Profanierung – als Sprache des „kleinen Mannes“ - fast
gnadenlos ausgesetzt wird.
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