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Freitag, 20. Mai 2011

Da regnet's Wahrheiten

Was ist mit dem Kurier los? Sind das erste eigene Handschriftkrakeln des neuen Chefredakteurs? Schon war sich der Verfasser dieser Zeilen sicher, daß der Kurier auch unter diesem ein lächerliches Wischblatt bleiben würde. Aber sieh da, das nächste Veilchen auf dürrer, morastig stinkender Wiese: neuerlich ein Artikel, der Substanz hat, und damit mutig ist!

Da kritisiert doch glatt ein Reinhard Frauscher das heurige (traditionelle) Theatertreffen in Berlin - es sei langweilig, ein alter Hut, selbstbezogen, und nur noch politisch deklamierend und moralisch anmaßend. Aussagen, für die der Autor dieser Zeilen schon gekreuzigt worden war, weil sie die längst beklemmende, bedrückend neurotische Situation des deutschsprachigen Theaters beschreiben.

Alle Bildrechte: Kurier
Das einzige rein österreichische Stück war heuer "Die Beteiligten" vom Burgtheater. Darin prangert die überwiegend in Berlin lebende Österreicherin Kathrin Röggla die "Medienhetze" ihrer Heimat im Fall Kampusch an. Manche wunderten sich angesichts langweiliger, verkopfter Texte und greller Gags über die Vorschusslorbeeren aus Wien. Das Berliner Publikum aber sah sie bestätigt und spendete brav Beifall und nur wenige Buhs.

Den gab es auch für Jelineks "schwadronierende" (
Die Welt) Vierstunden-Trilogie "Das Werk/Im Bus/Ein Sturz" aus Köln sowie für die anderen acht "bemerkenswertesten Stücke des Jahres" ("TT"-Statut). [...] "So politisch war das Treffen schon lange nicht: Es wird nicht mehr erzählt, sondern nur mehr konstatiert",[...]
Beim Berliner "TT" dominiert immer mehr selbstreferentielles Theater mit moralischer Anmaßung, am Samstag mit dem letzten Stück des fast schon kritiklos verklärten Christoph Schlingensief als Abschluss. [...] "Das hatten wir in den Achtzigern, das ist altes Theater", wehrt sich Laufenberg im KURIER-Gespräch, ohne zu merken, dass der abgedroschene SS-Mann bei Röggla das mindestens ebenso ist. 
 
Mit dieser Einstellung glaubt die Kaste des politisierten Theaters klassisches "Schauspieler-Theater" so vernachlässigen zu können wie sie geistreichen Humor, das viel Schwerere als alles Krawallige, als Boulevard strikt ausgrenzt. Wer ästhetische Kriterien oder gar einen Unterhaltungs-Anspruch des zahlenden Publikums Ernst nimmt, hatte es in dieser Ära schwer.


Wie heißt es so schön? Da bleibt kein Auge trocken.


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