Dieses Blog durchsuchen

Samstag, 21. Mai 2011

Augustineische Revolution

Vor der augustineischen Wende, schreibt Walter Schweidler in "Der gute Staat", zu Beginn des 5. Jhds., stand der Philosoph an der Spitze jener Pyramide, die auf den kaiserlichen Hof, also auf die Politik hohen Einfluß hatte. Diese Intellektuellen waren es immer gewesen, die das mahnende Korrektiv bildeten, wenn sich die Politik von der gottgewollten Ordnung entfernte, die identisch war mit der Vernunft, als Allgemeines, als Öffentlichstes. Die reale Eingegliedertheit - im Frieden! - war Zeichen eines gottgefälligen Lebens, und falsche Politik störte diese Ordnung. Die auf der Tradition aufbaute, und deren Maßstäbe auch in der Bildung weitergegeben wurden, die einen festen Kanon als Folie bildete.

Mit Augustinus aber trat eine folgenschwere Wende ein, die das Abendland maßgeblich bestimmte, und sich bis heute auswirkt. Plötzlich wurde "Gottesstaat" und "Zivilstaat" getrennt. Plötzlich war auch eine ungerechte Ordnung denkbar, die sich aber nicht durch die Unordnung (sondern nur im Bezug darauf) auf das ewige Heil des Einzelnen auswirkte - der Bürger "zweiter Staaten" war.

An die Stelle des Philosophen trat nun der Mönch. Er repräsentierte nun - in seiner Distanz zum öffentlichen Leben! - die absolute, in sich zweckhafte Lebensweise. Der (ägyptische) Mönch verkörperte eine Lebensweise, die keine Einflußnahme auf den Staat verlangte.

Augustinus meinte nachdem er von der Lebensgeschichte des Hl. Antonius erfuhr (386) zu erkennen, daß all seine Bildung, daß alle seine Maßstäbe für Leben und Politik völlig wertlos waren. "Die Ungelehrten stehen auf und reißen den Himmel an sich, und wir mit unserer Gelehrsamkeit, sieh, wie wir uns wälzen in Fleisch und Blut!" (Conf. 8,8)  Die geistige Autorität wurde hinan nicht mehr in der klassischen Bildung, sondern in den Erfahrungen des Herzens, den Leiden der Märtyrer und dem Eintreten für den Nächsten verankert. Das richtige Leben wurde auf das Leben anch dem Tod ausgerichtet.

Ab hier fand, schreibt Schweidler, die Theoretisierung der Philosophie statt. Die letzte Wahrheit konnte nicht mehr im freundschaftlichen Dialog der Weisen und Gelehrten, sondern sie wurde in der Forderung nach Letztbegründung durch rein theoretische Erkenntnis vom denkenden Individuum ganz für sich in Anspruch genommen - oder sie fiel der Skepsis, oder dem Voluntarismus zum Opfer.

Damit verschob sich radikal der Horizont für die Beurteilung dessen, was der "repräsentative Mensch" denn war. Vorbildlichkeit konkretisierte sich nicht mehr im Bezug des Einzelnen zur Gemeinschaft, sondern gegenüber "der Menschheit" als ganzer.


***