Vor einigen Tagen ist der 2005 verstorbene Papst Johannes Paul II. im Eilverfahren seliggesprochen worden. Hat Sie das gefreut?
Spaemann: Ja. Aber mit dem Tempo war ich nicht so ganz zufrieden. Zehn Jahre später wäre mir lieber gewesen.
Was macht für Sie seine Person aus?
Spaemann: Der Mann hatte eine ganz ungewöhnliche Ausstrahlung. Er war eine 
merkwürdige Verbindung von mystischer Frömmigkeit und einem 
hervorragenden politischen Instinkt. Mich persönlich haben seine Reden 
beeindruckt, aber wenn ich sie nachgelesen habe, konnte ich nicht so 
viel damit anfangen. Das gilt auch für seine Enzykliken. 
Er war sehr 
wortreich, aber bei der Frage, was er mir eigentlich sagen wollte, kam 
ich schon in Schwierigkeiten, ganz anders als beim jetzigen Papst 
Benedikt XVI. Da kann ich jeden Satz nachvollziehen. Imponiert hat mir 
bei Johannes Paul II. die gesamte Persönlichkeit, sogar die öffentliche 
Zelebrierung seines Todes. Er war ein Schauspieler, der das spielte, was
 er wirklich war. Er hat sich selbst darstellen können.
Robert Spaemann, Interview in "Die Presse"
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