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Dienstag, 3. Mai 2011

Neue Herren, alte Mittel

Einen grotesken Verlauf nimmt, so Crane Brinton, eine Revolution in ihrer zweiten Phase: wo, nach den anfänglichen Turbulenzen, die "moderates", die moderatere Gruppe das Heft in der Hand hat. Sie agiert milde, und zwar konsequent, aber mit hohem Ehrbegriff und Augenmaß. Dennoch verscherzt sie es sich genau mit ihrer sachlichen Unnachgiebigkeit mit der alten Führungsschichte bzw. den Konservativen. Ja, ihr "Realismus" in der Durchsetzung - denn sie will das Leben so rasch als möglich "normalisieren" - wird als Schwäche mißverstanden, und reizt zum Widerstand der Konservativen, ob im Inland, ob im Ausland. Es kommt also zu Kriegen, zu Kämpfen.

Konsequent auch hier, schickt die moderate, vielleicht sogar höchst ehrenwerte Führung die Männer in den Kampf - unter Wahrung aller hehren Ideale, die die Revolution als Fahne vor sich her trug. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit ...

Aber damit kann man keine Armee führen, keinen Krieg gewinnen. Die Motivation sinkt sehr rasch, denn Rückschläge sind unausbleiblich, es fehlt die Entschlossenheit der Gegner, und der Krieg droht verlorenzugehen, was die Motivation noch weiter sinken läßt. Nun geht es ums nackte Überleben: der Revolution, des Staates. Gleichzeitig hat die moderate Führung der zweiten Phase keine Verbündeten mehr: die Linken drängen, die Konservativen sind vergrämt, die Bevölkerung ist unzufrieden und revolutionsmüde. Die Revolution hat ihre erste wirklich Krise.

Das ist das Signal für den Beginn der dritten Phase, der Phase des Terrors. Denn nun kommen jene, die sich wenig um Prinzipien kümmern, nun kommen die reinen Machtpragmatiker, vom Schlage eines Robespierre oder Lenin oder später (in einer ähnlichen Situation!) Stalin, die es ja immer schon gewußt hatten: die revolutionsinterne Opposition, die Fanatiker und Hardliner! Und binnen kürzester Frist haben sie die Zügel in der Hand, und wenden energisch und unter viel Blutvergießen das Blatt. Mit genau den Mitteln, denen sie dereinst die Unterdrückung zuschrieben, durch die Überlebensnot legitimiert, und von der Bevölkerung toleriert.

Diese ehrenwerten Herren aber - sofern sie nicht noch VOR den Kämpfen starben, ihr Ruf also unbefleckt blieb - werden vergessen und verleumdet. Sie waren vielleicht begnadete Redner, aber unfähige Politiker, heißt es dann. Sie waren alles in einem, Priester, Redner, Schauspieler, Lehrer, Verwalter, aber im entscheidenden Moment haben sie versagt, denn sie haben zu wenig gehaßt. Keine Revolution hat sie noch geehrt oder rehabilitiert, ja sie haben Glück, wenn sie nicht unter die Räder der dritten Phase kommen, denn ihre Gemäßigtheit ist ihren Nachfolgern Verrat.

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