Dieses Blog durchsuchen

Donnerstag, 5. Mai 2011

Fehlendes Du

Das Erschreckendste im Umgang mit so vielen jungen Menschen heute ist deren Unfähigkeit, ein Du zu erfassen, die Unfähigkeit, dem anderen wirklich, ganz - außerhalb allen Kalküls - zu begegnen. Es fehlt nicht an Intelligenz, oder was auch immer. Es fehlt an der inneren sittlichen Haltung, die die Seele hermetisch abschließt: der Mensch wählt nur noch, und er wählt innerhalb seiner selbst, wird also immer enger. Offenheit dem Du gegenüber ist immer seltener zu beobachten - die das Ich aber erst definiert! diese Ich-Schwäche ist also gleichfalls darin begründet, das Ich bleibt dem positivistischen Willen überlassen.

Ebner weist darauf hin - hier ist das, was mit dem Wort, dem Ich, passiert, eine Frage des Willens, ethisch, vom ersten Moment an. In einer Welt, deren Dingen aber die Autorität fehlt - durch Verbildung, vor allem aber durch Wirklichkeitsabschottung (wie in behüteter Umgebung, im Sozialstaat, etcetera) - fehlt auch diese ethische Kraft. Und diese Kraft ist ja das alleinige Kriterium, auf das es ankommt.

Also ist das Selbstbewußtsein eine "Tätigkeit" bloßer (uneigentlicher) Existenz, und es - ist Verzweiflung, die zu diesem hektischen Getriebe antreibt, das zu einer Haltung werden kann. Die konsequent die darunterstehende Verzweiflung verdeckt: als Angst, daß es keine Möglichkeit geben könnte.

Also hält sich der junge Gegenwartsmensch im Status des ständig Möglichen! Die Hektik der Verzweiflungsvermeidung, die diese Decke - wie ein Hologramm - in der Luft hält, jedes Nachlassen würde ein Loch entstehen lassen, durch das die unendliche Leere, das Nichts durchscheint.

Der junge Mensch heute ist aber damit auch unfähig, zu lernen. Weil er nicht mehr aufnehmen kann. Er kann etwas nur - wie in Facebook - in seine oberflächliche Bibliothek stellen.

In einer solchen Geisteshaltung muß übrigens Alzheimer oder Demenz (als Synonym für völlige Abschottung von der Welt) dramatisch anwachsen. Denn bislang habe ich solche Haltungen nur bei alten Menschen erlebt, bei denen sich eine meist lebenslang geübte, aber doch immer wieder durchbrochene Haltung zur "Schlußhaltung", im Entschluß definitiv gemacht, auswächst.

*050511*