Dieses Blog durchsuchen

Samstag, 7. Mai 2011

Entwarnung

Eine gute Nachricht, übrigens, von der griechischen Staatsrettungsaktion: die europäischen Banken sind aus dem Schneider. Mußte die letzte Rettungsaktion noch deshalb stattfinden, weil eine Insolvenz Griechenlands vor allem französische und deutsche Banken mit zusammen gut 70 Milliarden Euro Risikokrediten die jeweiligen Landesökonomien zum Einsturz gebracht hätten, ist dieses Risiko nun gebannt.

Denn wenn kaum wahrnehmbar berichtet wurde, daß die Europäische Zentralbank, kurz EZB, seit geraumer Zeit (auch marodeste) Staatsanleihen aufkauft, so haben das im vergangenen Jahr eben diese Banken genutzt, und sich von ihren faulen Krediten getrennt. Damit ist dieses spezielle Risiko tatsächlich zu einem reinen Risiko der Staatengemeinschaft EU geworden. Und das heißt weiter: sämtliche übrige EU-Mitglieder bzw. Bürger werden Griechenlands "Umschuldung" (also: die Schulden des Landes) bezahlen. Denn das Land hat rund 320 Milliarden Euro Schulden. Das ist mehr als das Bruttonationalprodukt Österreichs, einem Land, das selbst schon mit 250 Milliarden verschuldet ist.

Kein Mensch mit Verstand, dafür die hiesigen Politiker, haben je geglaubt, daß das noch zu bewältigen ist. Aber es ging ja nur um den Zeitgewinn, nur darum ging es: sich selbst soweit vorzubereiten, daß man diesen Ausfall (die FAZ geht von 50 Prozent, also 160 Milliarden Euro aus, die in den Wind zu schreiben sind) verkraftet, im Zahlenspiel heimischer Bilanzen irgendwie unterbringt, ohne selbst gleich mit Konkurs anmelden zu müssen.

Denn es gibt im Grunde keine Möglichkeit mehr, einen säumigen Schuldnerstaat zur Haftung zu zwingen, das steckt eigentlich dahinter. Vor 100 Jahren wäre - diese Anspielung stammt aus der FAZ, nicht von mir - die Marine ausgerückt, und hätte Güter oder Inseln oder sonstige Vermögenswerte konfisziert, um sich schadlos zu halten.

Was soll man heute tun? Wo die Gebahren der europäischen Volkswirtschaften, politisch so gewollt, so unentflechtbar sind, daß Besitz und Schulden mit Staatsgrenzen nur noch zufällig - und dabei im letzten Ernstfall genau damit, und zwar nur noch, wir werden also zunehmend nur noch alles tun, um diesen letzten Ernstfall abzuwenden, es wird bald in allem nur noch um alles gehen! - zu tun haben?

Wenn immer wieder also der Ruf nach einem Procedere für Staatsbankerotte laut wird, so steckt genau das dahinter - es gibt keine moralisch gerechtfertigten, politischen Mittel mehr, Staaten zur Zahlung seiner Schulden zu zwingen. Und zwar wirklich keine. Zu abhängig auch sind wir längst selbst vom "guten Schein" dieser Volkswirtschaften geworden, die wir zur positiven Darstellung unserer eigenen Politik, die sich ja längst als Gestalter des Lebens ihrer Bürger versteht, benötigt haben.

Damit sehen wir uns in eine höchst seltsame Solidargemeinschaft zusammengesperrt. Privaten Geldgebern wären in solch einem Fall nämlich noch mehr Mittel sich schadlos zu halten offengestanden, als nun den Staatskorpora selbst, die alles an sich gezogen haben, und weiter an sich ziehen. Ein privater Geldgeber - sagen wir: eine Bank, die ein Unternehmen auf Euböa finanziert hat - konnte diesen Rahmen noch irgendwie bedeckt bekommen, und sei es, daß diese Bank nun eine Insel im Dodekanes besessen hätte, als Privatunternehmen. Immerhin.

Wobei man ja sieht, wo es hinführt - die Presse berichtet gerade in diesen Tagen vom Ruf nach politischem Eingreifen in den USA, wo die Deutsche Bank (genau mit besagten Zugriffsmöglichkeiten) versucht hat und versucht, aus ihren abertausenden Immobilien   Geld zu machen, um eben ihr Geld wenigstens zum Teil wiederzukriegen. Und sie tut es, wie man liest, ziemlich "zielstrebig", ZU zielstrebig für amerikanische Konsumentenschützer, angeblich.

(Sie erinnern sich: aus diesen wahnwitzigen Kreditvergaben, durch zuviel Geld das angelegt werden mußte, und das gierig nach Zinsen, also hohen Risken war, wuchs ja diese Blase, die dann geplatzt ist, weil die ersten Häuser auf den Markt kamen, und immer mehr - sodaß plötzlich alle Häuser, UND die Kredite die diese besichern sollten, nur mehr einen Bruchteil ihres früheren Werts wert waren. Jaja, "Wert" ist eben eine heikle Sache.)

Aber einem Staat? Da geht es plötzlich um viel mehr!

Bis der Bindefaden, der immer mehr gespannt wird, reißt, weil die (noch solventen) Staaten mit den wahren Trägern ihrer Substanz in Konflikt geraten, die Bürger (siehe: Island) sich also weigern, die Folgen der haarsträubenden Taten der Politiker zu tragen. Plötzlich stehen sich dann tatsächlich Völker gegenüber, plötzlich wird diese Begriffskategorie wieder eine Rolle spielen, man wird es sehen! Wenn man in Eigenregie beginnt, sämtliches Vermögen griechischer Bürger in Frankfurt, oder den Gyros-Laden in Kleinhagendorf an der Elbe zu plündern.

Dann werden wir auch weiß Gott wie "froh" sein, daß hiesige Unternehmen ihre Fabriken in Thessaloniki aufgebaut haben, und nicht in Tübingen oder Nürnberg. Plötzlich wird alles auf seine politische Brisanz reduziert werden, die wir ja so lange meinten, völlig außer Acht lassen zu können. Wir werden es erleben. Denn so tun, als wäre alles nichts gewesen, würde alles noch weiter und ins Endlose verschlimmern, das Beispiel würde Schule machen, zweifellos. Es stehen uns also ganz gewiß spannende außenpolitische Jahrzehnte bevor.

Aber vielleicht findet man ja noch Öl, in der Ägäis, oder Gold unter dem Marktplatz von Athen. Und zu den Klängen eines uralten Sirtaki, im Gefühlsrausch der roten Sonnenuntergänge und der purpurnen Weine am Tisch, werden neue zukünftige Schätze die Rechnungen bezahlen, die noch offen sind. Es sei ihnen gegönnt.


***