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Montag, 27. Juni 2011

Das war's dann aber auch schon

Was verbindet die Grünen in Baden Württemberg und die Grünen in Wien? Beide sind seit einigen Monaten in die Regierung ihrer Regionen gekommen, und beide kämpfen derzeit mit einer Situation, mit der sie nicht gerechnet haben: mit der Realität.

Maria Vassilakou / Die Presse - Clemens Fabry
Seit Tagen tourt deshalb die Grüne Vizebürgermeisterin von Wien, Maria Vassilakou, durch die Bezirke, um die aufgebrachte weil enttäuschte "Basis" - ihren einstigen Wählern, die zuhauf gebrochene Wahlversprechen reklamieren - zu beruhigen. Denn Unzufriedenheit macht sich breit, in Wien nicht anders als in Stuttgart. In Stuttgart stehen die Grünen vor dem Dilemma, als Regierung die Gesetze vollziehen zu müssen, die zu kippen sie zur Wahl angetreten waren, in Wien stehen die Grünen vor der ganz normalen Wirklichkeit täglicher Regierungsarbeit.

Wo sich nun etwas ganz anderes herausstellt, als wohl gewollt war: Plötzlich kann auch Vassilakou (und ihre Mandatare) nicht anders als nach strengen Sachprinzipien zu urteilen. Plötzlich wird bei einer Bürgerversammlung in Transdanubien im 22. Bezirk zum Ärger der Bürgerintitiativen die Siedlungspolitik der Stadt verteidigt, die schöne Landschaft mit Siedlungsbauten zupflastern möchte, denn "nur Einfamilienhäuser wollen wir auch nicht, Wien muß sich schon entwickeln" ...

Wobei man in Stuttgart nicht lange fackelt, und die Grünen kurzerhand aus dem Sattel der Bewegungen um Stuttgart 21 gehoben wurden. Denn anders als in Wien geht es den Stuttgartern nicht um ein bißchen "seind wir doch nett" - sondern um fundamentale Änderungen der Denkweise. Hier wurde wirklich Zivilisationsdruck zum Leidensdruck, hier geht es um mehr als Bahnhofsverhinderung. Da will ein Teil der Bevölkerung einfach nimmer so wie bisher. Die Deutschländer haben ihr Denken immer schon recht ernstgenommen, die sterben auch für ihre Überzeugungen.

Was sich da zeigt? Es zeigt sich, daß die Grünen und die größten Teile der Öko-Bewegung in Wahrheit nie ein Gegenkonzept gegen den Technizismus der Gegenwart hatten und haben. für sie beschränkt sich die Welt auf Utilitarismus und Zweckdenken, und der Grün-Gedanke auf bessere Meßwerte und niedrigere Ausstoßmengen. Einen wirklichen Begriff von Natur, von Natürlichkeit aus wieder anzustrebende Menschengerechtigkeit, haben sie nicht. Der Mensch zerfällt für sie wie für alle etablierten Technokraten in objektivphysikalische Eigenschaften und Einzelbedürfnisse, an denen man dies und das bewirken kann. Aber ein wirkliches Konzept, wie man die Welt lebenswerter, menschengerechter machen könne, haben sie nicht, und hatten sie nie. Die Kernfrage ist nämlich nicht, das Richtigere im Falschen zu tun - sondern ein neues Denken umzusetzen. Das sie aber nie hatten, denn die Linke - als eigentlich einziger "Inhalt" grüner Politik - ist uralter Ideologie-Technizismus des 19. Jahrhunderts, aus mit der Maus.

Also sitzen sie nun an der Macht, und müssen irgendwie schauen, den Apparat in Bewegung zu halten. Koste es, was es wolle. Und ab und zu wird dann ein Radweg eröffnet (Wien), eine neue Begrenzung für Geschwindigkeiten eingeführt, und ein Baum gepflanzt, in Stuttgart ein paar Bänkchen mehr und vielleicht ein kürzerer Nahverkehrstakt nach Sindelfingen, vom neuen Bahnhof allerdings - das war's dann. Grün war in ihrer ideologischen Variante nie mehr als ein Käppchen, das Eintritt ins Etablissement zaubern sollte. Ihre wahren politischen Ziele waren aber nie mehr als Ablaufoptimierung des bestehenden Wahnsinns, mit da und dort einigen etwas hübscheren Aspekten.

Jeder, der also gemeint hat, die Beteiligung der Grünen in Stuttgart wie in Wien brächte fundamentale Veränderungen - der wird enttäuscht werden müssen. Nun entlarven sich die Wahlversprechen als lediglich aus Mangel an Einblick in die Realität des politischen Alltags abgesetzte Wahlkampfblasen.

Heilsame Enttäuschung aber kann eigentlich nur gut sein.


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