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Mittwoch, 22. Juni 2011

Kein Objekt der Welt

Wenn jede Kultur wesenhaft praktisch ist, erscheint die Möglichkeit selbst einer theoretischen Kultur problematisch und stellt sich von Anfang an als eine Aporie dar. Das unsichtbare Leben hat weder Gestalt noch Antlitz, weder Innen- noch Außenseite, weder vorn noch Hinten, weder Ecke noch Seite noch Oberfläche, keinen äußeren Aspekt, kein Gesicht seines Seins, das einem Außen zugekehrt wäre und sich einem Blick darböte. Wie könnte ein solches Leben eines Tages von diesem Blick erreicht werden, ihm begegnen, von ihm untersucht und erkannt werden?

Kunst kann deshalb nur ästhetisch sein. Der Künstler kann nur aus dem Gefühl für Form in  Ästhetik schaffen. Es gibt folglich auch keine Objektivität des Werkes. 

In sich ist ein Kunstwerk zudem nichts "Materielles", das als Materie objektivierbar wäre. Es wird, ist es hergestellt, nicht mehr als Objekt der Welt wahrgenommen oder gesetzt, sondern als eine Wesenheit, die keine andere Aufgabe hat, als die "Im Bild" dargestellte Realiät abzubilden.

Wir sind im Kunstwerk nicht dem Kupferblatt oder den in schwarzen Linien erscheinenden Figürchen zugewandt, schreibt Michel Henry zudem. Sondern den abgebildeten Realitäten - "Ritter, Tod und Teufel", oder "Die Eroberung Konstantinopels" (etc.) Es geht nicht mehr um (z. B.) den Kupferstich als Realität der Welt, sondern um dessen ästhetische Realität. Und zwar: als ganzes. In einem Gemälde gewinnt jede Farbe ihre Realität ja nur durch die Zusammenstimmung mit allen übrigen Farben! Ebenso verhält es sich mit allen übrigen Formen und Volumina. Es geht um die Komposition - die eine ästhetische Komposition ist.



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