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Samstag, 18. Juni 2011

Krankheit des Lebens selbst

Arbeit oder eher: Tätigsein als "Aktivität in seiner spontan selbständigen Form ist nichts anders als die Steigerung, als die Verwirklichung des Bedürfnisses zu seiner Vollendung.

Aber die Subjektivität insgesamt ist Bedürfnis, schreibt Michel Henry weiter. 

"Die höheren Bedürfnisse, die aus der Natur des Bedürfnisses selbst folgen, ergeben die ausgebildeten Kulturformen, die in der Kunst, Ethik und Religion vorliegen. Die Anwesenheit dieser höheren Formen in jeder bekannten Zivilisation ist nicht nur eine einfache empirische Gegebenheit, mit deren Existenzfeststellung man sich begnügen sollte. Kunst, Ethik und Religion wurzeln vielmehr im Wesen des Lebens, so daß der Grund ihres Auftauchens demjenigen verständlich wird, der in diesem Wesen zu lesen weiß.

Ebenso ist die Barbarei, das heißt die Rückbildung der Verwirklichungsweisen des Lebens, der Schlußpunkt seiner Steigerung, kein unverständliches und unheilvolles Ereignis, das von außen her eine Kultur auf dem Höhepunkt ihrer Entfaltung trifft. Die Art und Weise, wie die Barbarei nach und nach jeden Bereich der gesellschaftlichen Aktivität ansteckt, sowie das allmähliche Verschwinden der ästhetischen, ethischen und religiösen Dimensionen aus der organischen Gesamtheit einer menschlichen Welt sind gleichfalls von einem Vorgang her zu verstehen, der das Wesen des Seins affiziert. 

Dieses Sein wird dabei als jenes Prinzip aufgefaßt, aus dem alle Kultur mit ihren konkreten Verwirklichungsmodalitäten hervorgeht, insbesondere was deren höchste Form betrifft. Ein solches von der Barbarei affiziertes Sein ist daher eine Krankheit des Lebens selbst."

Michel Henry, in "Die Barabarei - Eine phänomenologische Kulturkritik"


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