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Sonntag, 26. Juni 2011

Pathos, der das Denken abwehrt

Wie Wissenschaft (die es ja nur in ihren Trägern gibt, den Wissenschaftlern) als Erkenntnishaltung schließt (seit Galilei und dem Begriff der Welt als Maschine, als Mechanismus, seit der Welt der zwei Wahrheiten, deren eine nichts mit der anderen zu tun hat, weil deren andere völlig unabhängig vom Wahrheitssuchenden zu finden ist) - wiewohl selbst aus Intention des Lebens erwachsen - das Leben der Subjektivität, die sich im Erkennen selbst umarmt, aus. Das heißt nichts anderes (ich verkürze), daß die Art des Wissenschaftlers, sich (der ja auch Mensch ist) als Mensch zu empfinden und sich selbst zu erfahren sich gegen die Art wendet, in der er sich als Wissenschafter (identitär) zu empfinden "hätte", er in Widerspruch mit der Erkenntnis der Evidenz gerät.

"Sich gegen das Leben zu wenden, und zwar als eine bestimmte Lebensweise," schreibt Michel Henry dazu, "die insbesondere die Galileische Lebensweise ist, heißt sich selbst auf solche Art zu erfahren, daß man darunter leidet, das zu sein, was man (im Wesen) ist, nämlich was sich selber erfährt, genauer gesagt: die Tatsache, sich selbst zu erfahren, ein Lebender, das Leben zu sein." Es ist die wahnsinnige Idee im Wissenschaftler verwurzelt, nicht mehr zu erfahren, was sein Wesen erfährt, und so die eigenen Bedingung zu verabschieden, das Leben zu sein. Die lebendige Sinnlichkeit muß verworfen werden. Wesenhafte Wahrheit wird aber nur als Fleisch des Individuums und als dessen Leben ankünftig.

Die Wissenschaft aber, so Henry, die auf dieser Idee beruht, beruht ... auf einem Pathos. Sie ist selbst das Pathos, und als solches kann und muß sie letztendlich verstanden werden.

Als Intentionalität ist diese Haltung an ein Pathos gebunden, das ist eine innere Notwendigkeit. Und diese Notwendigkeit besteht darin, daß ein solches Pathos nichts anderes und nichts weniger als das Sein selbst einer jeden, für die Wissenschaft konstitutiven Intentionalität ist.

Es gibt darauf erfolgend ein Pathos der zwingenden Evidenz! Und daraus folgt wiederum für den Wissenschaftler das Gefühl der Apodiktizität. Denn die einzige Gewißheit, die der Evidenz, offenbart sich nur in der Ekstase des Sehens. Genau die aber ist ihm abgesperrt. Es bleibt dem Wissenschaftler nur die mathematische Gewißheit - die aber ist eine Idealität, keine erkenntnismäßige Evidenz. Diese Form der Gewißheit ruht nicht in sich, sondern als ein Hervorgebrachtes. Es entzieht sich, als Selbstaffiziertes, also der Wahrheit, und zwar grundsätzlich. Es ist damit nicht "ständig da", im Außen, sinnlich evident - sondern bleibt der unendlichen Wiederholung eines intentionalen Meinens dargeboten.

Was Henry hier anspricht, habe ich an anderer Stelle längst beschrieben: es ist die Identität "als Wissenschaftler" (Akademiker), die denselben Wissenschaftler im Grunde erkenntnisresistent macht: er bleibt innerhalb seines bereits bestehenden, mit dem Tag des Beginns seines Wissenschaftlerlebens vollendeten Denkkreises, der immer ein sich selbst rechtfertigender, selbst tragender Denkkreis ist, gefangen. Gefangen in diesem Pathos, den Henry so grandios begründet - so, wie sein ganzes Denken eben zum Pathos wird.


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