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Dienstag, 28. Juni 2011

Offizielle Versionen

Es wäre zwar lächerlich, den Angriff Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion, der am 22. Juni 1941 begann, als Verteidigungsstoß oder reine Notwehr darzustellen. Wer immer sich mit Hitler ein wenig nur befaßt weiß, daß der Osten für seine Gesamtpläne - soferne man von solchen überhaupt sprechen kann, sofern sie je mehr waren als vage Wunschträume und Phantasien; ich bin vehementer Gegner des weitverbreiteten Versuchens, dem Hitlerismus (Wortschöpfung von Joachim C. Fest) rationale Kontingenz zuzuschieben, er war zutiefst irrational - eine entscheidende Rolle spielte.

Aber es ist auch lächerlich so zu tun, als wäre die Auseinandersetzung nicht der Ausbruch zweier bis an die Zähne bewaffneter Übeltäter gewesen, Hitler und Stalin. Das "Unternehmen Barbaross" stieß mitten in einen gigantischen sowjetischen Aufmarsch hinein, der nur deshalb brach, weil die Wucht des deutschen Angriffs bei weitem unterschätzt wurde (Aussage des Generals Schukow nach dem Krieg), und weil zum anderen die eigenen Angrifspläne überschätzt wurden. Nach Öffnung der sowjetischen Archive ist unbestritten - in Rußland übrigens offizielle Version, die auch in den Schulen gelehrt wird! - daß Stalin einen Angriff auf Deutschland vorbereitete. Sehr lange hätte Deutschland nicht zuwarten können, man mußte handeln, vielleicht sogar deshalb zu einem Zeitpunkt, der für die deutschen Generäle als "zu spät" bezeichnet wurde. Und prompt schienen dann genau die durch die Intervention in Jugoslawien verlorenen Monate die Entscheidung zu bedeuten: kurz vor Moskau mußte der erste Vorstoß wegen des extremen Winters abgebrochen werden. Stalin konnte seine Kräfte reformieren, und so kam es, wie es kam.

Wobei wir hier nicht darüber urteilen wollen, was besser gewesen wäre. Die Problematik des Hitlerismus entsteht ja nicht aus der Gutheißung dieses Wahns, sondern lediglich aus der Verquickung mit dem Volk, dem auch der Verfasser dieser Zeilen angehört: wer Hitler schlug, schlug einen selber. Hitler zu vernichten hieß dann ja auch, das Volk zu vernichten. So verquickt sich Wünschenswertes mit Furchtbarstem. Aber Geschichte läßt sich eben nicht in "wenn wäre - dann wäre" abhandeln. Sie kennt nur ein "so war es," nur dann erhellt sie eigene Antriebe und Wurzeln.

Die Junge Freiheit berichtet in einem sehr präzisen, kompakten Artikel über die damaligen Entwicklungen. Stalin war durch Spionáge nachweislich und bestens über die deutschen Angriffspläne unterrichtet. Nur reichten die Verteidigungsbemühungen nicht, obwohl die sowjetischen Kräfte teilweise doppelt so stark waren wie die Angreifer. Ziel des sowjetischen Angriffs wäre eine Zangenbewegung aus dem Raume Lublin heraus gewesen, die die deutschen Ostarmeen einkesseln und vernichten hätte sollen.


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