Man begeht, schreibt Ferdinand Ebner, den fatalen Fehler, "Geist" mit "Traum vom Geist" gleichzusetzen. Ein Fehler, der sich vor allem seit der Romantik zur fatalen Kulturhaltung entwickelt hat. Die entscheidende menschliche Haltung, als Geburtsstunde des Geistes, ist aber die, das direkte "Du" des Seins, des Logos zu erfassen und zu bejahen, frei zu werden von Vorstellungsbildern von Geglücktheit und Freiheit!
Gerade die Geschlechtlichkeit des Menschen aber macht ihm hier dramatische Striche durch die Rechnung. Denn die Mann-Frau-Polarität ist figuraler Natur, Welt- und Kulturgestalt. Als solche zwar unverzichtbar polar, unverzichtbar auch im Vorentwurf, aber sie ist nicht die eigentliche Haltung des Geistes!
Anti-Feminismus - als geschlechtliche Reaktion des Mannes, häufig nicht mehr als nach außen verlagerter innerer Kampf um Geist - ist deshalb genauso falsch wie der Feminismus, dessen Betätigungsfeld ebenfalls der Traum vom Geist, die Idee ist. Gerne wird nämlich übersehen, daß auch die männliche Daseinsform einer Idealisierung unterlag. Und in diesem Punkt ... (mancher könnte staunen, es an dieser Stelle zu lesen, aber auch die herbe Schelte, die es für den Feminismus hier schon oft gab, war nie anders zu verstehen) ... hat der Feminismus inhaltlich sogar recht, wenn auch nicht praktisch.
Das 19. Jahrhundert war generell, als Jahrhundert unaufhaltsamen, alles durchmorschenden Verfalls, ein Zeitalter, das genuin immanente, vitale Werte explizit machte, zur Ideologie erhob. (Selbst die Kirche blieb nicht frei davon.) Was aber niemals zur Ideologie werden darf, weil die gefährdeten Phänomene, deretwegen die Ideologie aufsteht, nicht direkt und für sich, technisch also, gemacht, ansteuerbar sind. Eine gesunde Kultur ist nicht machbar. Sie ist nur Folge gesunden Wirklichkeitsmuts einer Menschengruppe, eines Volkes, einer kulturellen Gesamtheit. Das Geschlechterverhältnis aber wurde dramatisch traumatisiert, und die Erschütterungen, die das 20. Jahrhundert brachte, sind eine direkte Folge und Reaktion darauf. So erwuchsen sich die Geschlechter als Gegenpole, statt zur Ergänzung in der Unterschiedlichkeit.
Weil aus der französischen Revolution heraus, aus all den Umbrüchen der Zeit des 18./19. Jahrhunderts heraus, Identität überhaupt zerfiel und sich der Mensch dieser Zeit in Behauptungen, der Idealisierung eben, zu retten suchte. So wurden die menschlichen Beziehungen zunehmend reine Auseinandersetzungen der Ideen, was die ohnehin bereits zerfallende kulturelle Struktur - einzige Identitätsquelle - noch weiter und immer schneller auseinandertrieb. Wer die Beziehungen der Menschen gerade im Internet-Zeitalter ansieht, könnte den Eindruck gewinnen, daß Zwischenmenschlichkeit überhaupt nur noch auf Ideen aufgebaut wird. Jeder lächerliche "like-"Button zielt darauf ab und verfestigt prinzipiell weil (notgedrungen) positivistisch mißdeutete "falsche" Identitäten.
Nur, wenn beide Haltungen überwunden werden, als Aufgabe an jedes Geschlecht in spezifischer Weise gestellt, OHNE aber zugleich den Irrtum zu begehen, kulturelle Gestalt "aufzuheben" (wie es die Gender-Ideologie betreibt), denn der Weg zum Geist ist nur INNERHALB DER WELT möglich, durch Weltüberwindung, nicht Welteliminierung, kann sich der Mensch zur eigentlichen Geistigkeit erheben.
*250611*