Teil 3) Vielleicht liegt unsere Aufgabe ganz woanders
Der Schauspieler Egon Marknagel in "Heute bei Laura" (TV66)
L: Das heißt?
Daß offenbar die Mehrheit der Kardinäle davon gar keine Ahnung mehr hat, was es heißt, von einer niedrigeren Kulturstufe in eine höhere zu kommen. Das klingt so romantisch - Dritte Welt ... Dort aber mangelt es an Verständnis und Aktualität - nicht umgekehrt. Das ist kein falscher Eurozentrismus, sondern das hat mit anthropologischem, nein, eigentlich mit Weisheit zu tun. Die können uns nicht verstehen, nicht umgekehrt. Man hat hier also sehr gefährlich mit dem Universalismus der Kirche gespielt, und ihn vielleicht sogar verspielt.
Aber
ich will das hier gar nicht alles jetzt ausdiskutieren, das würde jeden
Rahmen sprengen, was ich da sage ist sicher nur ungefähr und
lückenhaft, nageln Sie mich nicht auf Details fest. Ich will nur
andeuten, daß das Problem sehr sehr komplex, mit Schlagworten nicht zu
lösen ist. Und von einem Papst würde ich mir wenn er schon was sagt eben
Ansätze erwarten, die im Einen anfangen, das alles enthält, in der
umfassenden, tiefen Wahrheit. Nicht in zeitgebundenen Schlagworten. Seid
zärtlich zueinander ... was soll denn das jetzt heißen? Wir haben doch
das gegenteilige Problem zu geringer Sachlichkeit, des Subjektivismus,
des autonomistischen Individualismus, des Formverlusts, das ist ja unser
Genickbruch. Liebe, Sachlichkeit, Form - das kann man nicht durch
Kuschelpädagogik quasi unwichtig machen, im Gegenteil!
Für
mich heißt das einfach, daß ich noch klarer unterscheiden lernen muß, was an
unserer Wahrnehmung überhaupt echt ist, daß ich noch widerständiger
gegen Schlagworte werden muß. Da stehen Leut am Petersplatz, und ich war
dort,
die tatsächlich glauben, weil sie dem Papst zugejubelt haben und jetzt
in der allgemeinen Gruppendynamik gehobener Stimmung sind, wären sie
voll der Liebe. Da stehen Leut die der festen Überzeugung sind, daß weil
sie für ihn gebetet haben, muß ja alles richtig sein was er macht. Wenn
ich das mit Ratzinger vergleiche, dann kam es mir diesmal vor wie beim
Kaffeklatsch beim lieben Onkel Bergoglio. Ich habe den offenen Himmel
vermißt, den wollte ich nämlich sehen. Ich habe mich erwischt, wie ich
immer wieder nach vorn geguckt habe, ganz unbewußt, weil mir an dieser
Figur, die da wenige Meter neben mir vorbeigezogen ist, offenbar noch
etwas gefehlt hat. Er wäre zu übersehen gewesen. Dabei ging es doch um
ihn, also nicht, sondern um den Papst, der er jetzt ist?
Ich
habe die schlimme Befürchtung, daß wir uns warm anziehen müssen in den
nächsten Jahren. Daß wir lernen müssen, daß der Papst in unserem
konkreten Leben nur ein ganz ganz nebensächliche Rolle spielt, sieht man
von der Wahrheit der katholischen Lehre ab. Den kann ich gar nicht
lieben, oder auf eine andere Weise. Lieben muß ich meine Frau, wenn ich
mich bemühe, sie zu ertragen - und natürlich umgekehrt. Lieben muß ich
meine Kinder, die ich zurechtweisen muß, weil das was sie tun ihnen
Schaden zufügt, auch wenn sie es gerne täten. Lieben muß ich meinen
Regisseur, wenn er etwas sagt, was ein Unsinn ist, und ich obwohl ich es
nicht gerne tue, mit ihm streite, damit eine gute Produktion
herauskommt. Das ist die Liebe, die von mir verlangt ist.
L: Könnte es sein, daß man aus Ihrer Haltung eine gewisse Widersprüchlichkeit herausspürt? Denn einerseits haben Sie immer betont, daß das Papstamt zu zentralistisch ausgelegt worden wäre. Anderseits messen sie der Papstwahl doch so zentrale und weitreichende Bedeutung zu?
Vielleicht haben Sie Recht, vielleicht ist da was dran. Immerhin hat Bergoglio ja von Anfang an klar gemacht, daß er Bischof von Rom ist, und nicht mehr, sieht man von der Sonderstellung ab, die dieser Bischof hat. Man wird ja sehen, wie sich das auswirkt. Die Medienstrukturen, die sich rund um das Papstamt seit Jahrzehnten nahtlos geschlossen haben, und die sicher wesentlich dazu beigetragen haben, daß Bild vom Papstamt zu verfälschen, wo hin zu schieben, wo es nicht hingehört, machen natürlich jedes seiner Worte zu einem Wort "für alle" Katholiken, mit allem gehörigen direkten Einfluß. Dazupassend hat sich ein völlig verkehrte Metahaltung entwickelt, die jetzt im Internet völlig ausufert und das Wesentliche des Glaubens, die Fleischlichkeit, sagen wir mal, aus den Angeln hebt. Das Papstamt hat sich eben logischerweise im Dialog mit der Entwicklung der Weltstruktur entwickelt. Auch Staatspolitik ist ja seit dem 19. Jahrhundert immer mehr diesen Weg der Metapositionen gegangen.
Wenn er das auch wirklich umsetzt, wird sich das zumindest auch daran zeigen müssen, ob er nach wie vor die Seelsorge, ich sage das mal so, vor Ort übernimmt, oder sich auf Rom konzentriert. Und das muß sich auch in einem klaren Rückgang der medialen Präsenz auswirken. Es kann nicht sein, daß Papstmeldungen jeden Alltag in den Ortskirchen erdrücken. Im strengen Sinn führt das zur Häresie. Von dogmatischen Entscheidungen will ich da mal nicht reden, sofern die nötig sind. Da paßt momentan diese, sage ich mal, intime Frömmigkeit die er zeigt noch nicht ins Bild, die einer Weltpräsenz in den Medien und damit abstrakten Fragestellungen um Kirche und Glaube und Probleme in zivilisatorischen Gesamtentwicklungen nicht angemessen ist.
Ganz real aber fürchte ich aus Erfahrung, daß sein Vorbild der Startschuß für eine Reihe von Positionen ist, die wie auf Lauerstellung gelegen sind, und sich bisher immer wieder doch nur beschränkt entfalten konnten. Vor allem irritiert mich die Verwendung einer uneindeutigen Sprache. Die eben bestenfalls nichts Falsches sagen will. Aber das reicht nicht nur nicht, sondern ist eine subtile Form von Lüge. Wenn schon, kann man nämlich genau das einigen Dokumenten des 2. Vatikanischen Konzils vorwerfen. Sie haben ermöglicht, daß sie auch aus falschem Geist heraus interpretiert werden. Dieser Geist aber, von dem ich da spreche, ist hoch aggressiv und bösartig. Er verwendet nur die Rhetorik der Liebe, und führt damit in die Irre.
Ich
kann mir gut vorstellen, daß und warum dieser Papst die richtig Antwort ist, aber
ganz anders, als viele glauben. Es könnte sein, daß sich diese gewissermaßen Verweigerung des Papstamtes, wie es sich erst in den letzten 150 Jahren in der Praxis, nicht in der strengen theologischen Definition, herausgebildet hat, und die man ganz sicher historisch bedingt sehen muß, wie eine paradoxe
Intention wirkt: Daß uns klar wird, das DAS, was doch in Wahrheit so
viele seit Jahrzehnten verlangen und fordern, eben nicht weit führt. Die
Frage ist zwar auch, was vom Papstamt noch übrig sein wird, wenn er mal
den Löffel abgibt. Aber noch mehr sehe ich uns aufgefordert, als
einfache Katholiken, daß wir uns bewußt werden, daß tatsächlich WIR die
Kirche sind, und daß sie in dem Maß gegenwärtig ist, wie wir stark wir selbst sind.
Mir fällt da nur das Gleichnis mit den Jungfrauen ein. Wer jetzt kein
Öl in der Lampe hat, könnte ein Problem bekommen.
Denn
wenn ich ehrlich bin: ich könnte mir gut vorstellen, daß sich jetzt an
der Kirche etwas anderes zeigt. Ich möchte das nicht weiter
präzisieren, aber der Apostel Johannes hat darüber geschrieben.
Holzauge, sei wachsam, kann ich da nur sagen. Aber es ist immer schwer,
mitten aus der Gegenwart heraus zu sagen, wo sie hinführt. Wenn ich Armut als Zukunft Europas sage, so ist das durchaus auch so gemeint, daß wir uns am besten Weg dorthin befinden. Diese Papstwahl hat das auf eigentümliche Weise vorweggenommen. Deshalb bin ich sehr wohl der Ansicht, daß sie vom Heiligen Geist inspiriert war. Aber anders, als wir uns das dachten. Unsere Kultur ist nur noch eine leere Hülle, ein loser Fetzen, den wir nach wie vor überhängen haben, ein Rest, und nur um diese Hülle gehen derzeit alle politischen Streits. Darunter ist bereits die niedrigere Kulturstufe der Dritten Welt. Und das ist nicht etwas Nebensächliches, auch nicht wenn man von Heiligkeit spricht. Kultur ist Lebensdarstellung, und damit ist sie zu entwickeln Auftrag, weil Gotteslob, vollkommene Darstellung Gottes, der Sinn der Schöpfung überhaupt ist.
Es kann auch vom Geist inspiriert sein, daß am rechten Ort zur rechten Zeit der Unfähige, der Falsche sozusagen, der Richtige ist. Gerade für einen Organismus wie die Kirche einer ist, kann das gelten. Als Lehre, die es zu ziehen gilt. Weil der Organismus darauf reagieren muß. In der Impfung wird gezielt damit gearbeitet - Infektion, damit der Gesamtorganismus daran erstarke, sich selbst wiederfindet. Nur in Jesus Christus selbst fällt Wahrheit und Fleisch zusammen. Im Papst sicher nicht. Das Heilszeichen, das die Kirche hat, sind ihre Sakramente. Papsttum ist keines. Das bleibt vom Träger getrennt, obwohl es nie von einem Träger getrennt werden kann. Es ist ein Werkzeug, nicht mehr. Da wurde in den letzten Jahrzehnten ganz sicher nicht immer richtig unterschieden, sodaß sich ein regelrechter Papstkult entwickelt hat. Das ist gefährlich.
Also
muß man zuwarten, was wird, und ich werde alles sehr gespannt verfolgen. Aber ich bin auch hellhörig geworden,
sage ich ehrlich. Denn was kommt als nächstes? Dogmatisierung des Klimawahns? Ist auch schön kuschelig. Vor allem banal genug für den Geschmack der Massen. Für mich heißt das: Genau schauen, ob das wirklich so ist, wie ich meine zu sehen, daß es ist. für mich wird das also heißen die Augen zu reiben und zu fragen: Kann das wahr sein? Was wieder heißt: genau nachdenken, abwägen, prüfen, denn was man sieht kommt ja aus dem Herzen, das die Gedanken bildet, nicht einfach aus den Sinnen. Das macht es nicht immer leichter, die Wahrheit zu finden. Aber die ersten Signale haben mich entsetzt, dabei war ich besten Willens, alles vorerst einmal positiv zu sehen. Da hat sich aber sehr rasch Zweifel angemeldet.
Wissen Sie, ich habe die Erfahrung gemacht, daß im
Leben alles, was man wirklich wollte, sich auch realisiert. Nur erkennt
man es oft nicht einmal, weil man gar nicht richtig erkannt hat, was man
gewollt hat. Es könnte sein, daß sich jetzt etwas verwirklicht, genau
damit wir es erkennen, das ich ja seit den 70ern ständig in meiner
Pfarre erlebt und wogegen ich mich immer gewehrt habe - um uns erst
damit davon befreien. Also, wenn wir es erkennen. Das klingt
schauerlich, aber es ist wie das Einholen einer Ernte, so könnte es mir
vorkommen. Die Spreu vom Weizen wird aber auf der Tenne getrennt. Es kann sein, daß wir wirklich vor einer Zeit der Laien stehen. Aber auf ganz andere Weise, als es oft gemeint war. Als Fleischwerden des Leibes der Kirche, der sich ja schon gefährlich virtualisiert hat. Sodaß der Kirche auf ganz neue Art eine Schwäche zu eigen wird, in einem schwachen Papst, der nicht einmal auf zwei Lungenflügeln atmen kann.
Hält man da dazu, daß das Wort Geist mit Atem zu tun hat, soll man sich seinen eigenen Reim darauf machen. Gerade in der Aufeinanderfolge der Päpste steckt ja auch ein Sinn, Geschichte ist ja nicht zufällig. Und dieser Papst ist sogar auf eine gewisse Weise das Werk seines Vorgängers, das darf man nicht vergessen. Den Benedikt gut kannte! Immerhin war er der stärkste Gegenkandidat bei seiner Wahl.
Wie sagt Paulus? Jesus Christus muß wachsen, ich aber abnehmen. Wir sind eben nicht mehr Papst. Wir sind nur kleine Würstchen vor Ort. In die Richtung denke ich."
Der Schauspieler Egon Marknagel, in "Heute bei Laura" (TV66)
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