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Samstag, 23. März 2013

Nivellierung nach unten

In einem dramatischen Appell wendet sich der deutsche Lehrer i. R. Rainer Werner an die Öffentlichkeit, nach seinem Buch "Auf den Lehrer kommt es an" diesmal in der Welt. Er warnt eindrücklich vor der Gesamtschule, die dabei ist, das Schulwesen zu überrennen.

Das führt sogar zu einer Umverteilung der Schüler, um ein bestimmte soziale Durchmischung zu erreichen. Sämtliche Erfahrungen, die mittlerweile vorliegen, belegen aber, daß nicht wie von Utopisten vorgegeben, eine undifferenzierte Schülermenge mit "individueller Betreuung" zu höherer Leistung auch der schwächeren - "sozial benachteiligteren" - Kinder kommt, sondern umgekehrt: es kommt überall zu einem Schwächen der Besseren. Sämtliche Untersuchungen, die bislang aber kaum an die Öffentlichkeit dringen, belegen das, was zahllose Pädagogen längst erkannt haben und ausbaden müssen.

Auch die Pisa-Ergebnisse lassen die Deutung zu, daß jene Bundesländer Deutschlands, die auf die Gesamtschule setzen, schlechter abschneiden, als andere. Und gerade Länder mit höherer Leistungsselektion, wie Bayern und Baden-Württemberg, weisen gerade auch in schwächeren Schülergruppen noch immer höhere Leistungen aus, als erwähnte. Die Gesamtschule schädigt also auch die Schwächeren, indem sie das Niveau sämtlicher Schüler senkt. Schon gar wenn man berücksichtigt, daß der finanzielle Aufwand speziell Lernschwächere sonderzubetreuen gar nicht erbracht werden kann.

Es sei ein Irrglaube zu meinen, Bildung sei verteilbar, so wie es mit Geld geschehe. Sie ist ohne soziales Gruppengeschehen (und damit aber auch ohne örtliche Verankerung) nicht denkbar, kann also keineswegs "individualisiert" werden, unter gleichzeitiger Auslöschung sozialer Merkmale. Ein Widerspruch, der zudem den Charakter der Schulreformen in diese Richtung als Utopie entlarvt, die bei sozialer Nivellierung vollmundig "Individualisierung der Lernvorgänge" durchzusetzten vorschützt.

Lernerfolge in Schulen brauchen aber möglichst homogene Lerngruppen, die in unterschiedlichsten Niveaus zueinander in einem Spannungsverhältlnis der Vielfalt stehen müssen. 

Nur so strecken sich auch jeweils untere Niveaus nach den oberen aus, das zeigt die Erfahrung nicht nur in der Schule. Die Wirklichkeit des Menschen fügt sich nicht utopischen Gleichheitsvorstellungen der Nihilierung sozialer Bezüge. Der Mensch ist immer ein "wir", das ist das Wesen des Selbst, er ist nie ein isoliertes Wesen. Ja, das Wir geht dem Ich als Verpflichtung des Gewissens als Formanspruch voraus. Versucht man diese Bezüge zu eliminieren, schon gar indem man Menschen aus ihrem realen örtlichen Umfeld herauslöst, löscht man nur das Höhere, während alle nach unten - dem Formlosen - rutschen. 

Was man zugleich dabei vergißt ist, daß "sozial unten" auch gleichbedeutend mit "ohne Form" und damit ohne Anstrengung sich nach Gestalt auszustrecken bedeutet. Findet der Mensch keine Form als Ziel vor, wird sein Gewissen entmutigt, und seine Kraft der Selbstwerdung erschlafft. Die Wahrnehmbarkeit solcher Ziele ist aber eine Frage der Wahrnehmbarkeit sozialer Stufen, also auch eine Frage konkreter Örtlichkeit, ohne die Gruppenbewußtsein überhaupt nicht möglich ist.




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