Was den Dilettanten vom Künstler unterscheidet? Dem letzteren, schreibt Eugen Rosenstock-Huessy, geht es nur darum, die Gesellschaft zu unterhalten. Ihm geht es nur um sein Tun. Der Dilettant aber will ihr angehören.
Er wird ein Bestandteil der Geselligkeit durch nichts anderes als dadurch, daß gewisse gentlemanlike Formen, eine gewisse spielerische Anmut wichtiger gelten als der Vollzug der Leistung. Ein schlechter, ungeschickter Jäger, der danebenschießt, stört die Gesellschaft nicht entfernt so wie ein anderer, den den geringsten Verstoß gegen die Weidgerechtigkeit begeht. Der Dilettant darf nicht aus dem Rahmen fallen - das zerstört die Geselligkeit. Also muß er sich am Gewesenen orientieren, an der Konvention, am Gebrauch. Nichts Neues darf die Sitte durchbrechen, sonst würde er aus der Gemeinschaft fallen, in der sich alle geborgen fühlen. Er weiß, was sich gehört. Der Schöpfer der Zeremonie darf nicht einmal bekannt sein, sie muß unpersönlich geworden sein, um nicht Nachahmung zu sein und damit wieder persönliche Qualität anzunehmen.
Damit aber ist eine Voraussetzung gegeben - der der Bildung. Der Rohe kann nur nachahmen. Aber Konvention verlangt Wissen und Formung, um freiwillig, dabei aber unbewußt und DAMIT tatsächlich als Formträger, in diese Gesellschaft einzutreten, als Echo des Gemeinwillens, der als "was der Mensch will" dasteht. Deshalb ist jede Sitte "uralt".
In einer Zeit des Verfalls von Sitte stehen deshalb neue Autoritäten auf, die sich selbst auf "Uraltes" berufen. Um jenes Vorbild zu sein, an dem Sitte wieder möglich wird. Denn der Mensch kann sich nie seine Urbilder "erfinden", an denen er sich orientiert.
Denn Bildkraft hat nur das Ursprüngliche, das die Form "so nebenbei" entwirft, vorstellt. Der sich die Nachfolgenden fügen. Aus Bescheidenheit, Demut, Faulheit, Ehrfurcht, Peität, Eilfertigkeit oder Gottesfurcht: Ein Element der Furcht ist immer dabei, das uns zum Kostüm greifen läßt, das uns beruhigt.
Wenn man also sagt, daß unsere Zeit formlos sei, schreibt Rosenstock-Huessy, so ist das ein Verleumdung. Es stimmt nicht. Nicht so. Zu tief ist das Ritual, die Zeremonie mit dem Menschsein selbst verbunden, sie ist von ihm nicht trennbar. Man hat nur das Brauchtum verlegt, woanders hingetan. Früher waren die Bräuche, die Riten auf Einschnitte zwischen den Generationen bezogen worden: Kindstaufe, Eheschließung, Begräbnis, Krönung alleine schienen die Etikette eines Ritus zu rechtfertigen. Aber heute wechselt eben der Schiläufer, der Operateur, der Gesellschaftsmensch unausgesetzt seine Tracht, um dem Anlaß zu genügen, um in die Gesellschaft einzutauchen. Die Riten sind zu Kurzriten geworden.*
Das macht ja den Schrecken des Todes aus: daß man ihm formlos begegnen muß. Deshalb der reiche Formenkult in Zusammenhang mit dem Tod eines Nächsten. Im Angesicht des Nichts werden noch einmal alle Formen hervorgeholt und wiederholt, die bleiben sollen. Und sei es in der Totenrede, die das Bleibende des Dahingeschiedenen vor Augen führt. Somit zeigt sich das Wesen aller Bildkunst, alles Abbildenden: das Geben von Fortdauer, zur Wiederholung. Im Fliehen vor dem Anblick des Nichts wendet sich - im Bild - der Blick rückwärts.
Der Künstler aber schafft, was es "noch nie und nirgends gegeben" hat. Sie außerhalb menschlicher Wirklichkeit zu stellen bedeutet aber, ihr ihre Wirklichkeitsrelevanz zu nehmen. Kunst lebt nur insofern in einer ideellen Welt, als sie noch nicht Gewesenes vorwirft, damit Zukunft schafft, Werdezeit. Sie nimmt vorweg, indem sie nicht einfach nachläuft, nicht einfach forterzählt, was immer gewesen, den Kalender einfach verlängert und damit Vergangenheit verewigt. Sie erlöst uns durch Überwindung, neue Wege und Möglichkeiten in der Phantasie, und macht deshalb Hoffnung.** Kein Fleiß, keine Fertigkeit hilft ihr deshalb - sie muß mit dem Kopf bei Zeus sein, sie braucht die schöpferische Idee.
Der Künstler aber schafft, was es "noch nie und nirgends gegeben" hat. Sie außerhalb menschlicher Wirklichkeit zu stellen bedeutet aber, ihr ihre Wirklichkeitsrelevanz zu nehmen. Kunst lebt nur insofern in einer ideellen Welt, als sie noch nicht Gewesenes vorwirft, damit Zukunft schafft, Werdezeit. Sie nimmt vorweg, indem sie nicht einfach nachläuft, nicht einfach forterzählt, was immer gewesen, den Kalender einfach verlängert und damit Vergangenheit verewigt. Sie erlöst uns durch Überwindung, neue Wege und Möglichkeiten in der Phantasie, und macht deshalb Hoffnung.** Kein Fleiß, keine Fertigkeit hilft ihr deshalb - sie muß mit dem Kopf bei Zeus sein, sie braucht die schöpferische Idee.
Der Künstler überwindet - der Betrachter bewundert. Damit stehen beide in einem selben Kraftfeld, geprägt von derselben Grundkraft.
*Aber er weist natürlich auch auf etwas anderes hin: Der Verlust der traditionellen Formen hat den Menschen nackt gemacht, bzw. macht ihn nackt. Der unverkleideten Wirklichkeit aber kann niemand gegenübertreten. Er braucht die Spielform, das Ritual der Aneignung, als menschliche Form, als irdische Gestalt des Wirklichen. Der Mensch begann (und beginnt) im Ritual. Nicht in der Profanität des Zwecks. Es ist die Ernsthaftigkeit der Form, über die wir die Inhalte präsent machen.
**Rosenstock-Huessy liefert damit einen wichtigen Beitrag zur Frage, ob Photographie Kunst sein könne. Denn Photographie kann kein zukünftiges Ereignis abbilden.
**Rosenstock-Huessy liefert damit einen wichtigen Beitrag zur Frage, ob Photographie Kunst sein könne. Denn Photographie kann kein zukünftiges Ereignis abbilden.
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