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Mittwoch, 6. März 2013

Bankengemauschel

«Kannst du einen tiefen sechsmonatigen Franken-Libor eingeben?» – «Was ist das wert?» – «Ich habe noch ein paar Sushi-Rollen von gestern.» – «Ok, tiefer sechsmonatiger, nur für dich.» – «Wooooohooooo (. . .) du bist ein netter Mann.»
«Einfach grossartig, wie viel Geld man mit dem Festsetzen des Libor verdienen kann.» Und, wenig später: «Wir haben jetzt ein Kartell in London.»

Was das ist? Einige Zeilen aus einem Chat zwischen Bankern in Tokio und Zürich, in dem sie den Libor-Satz festgelegt haben. Jenen Zinssatz, zu dem sich Banken untereinander Geld borgen. Er wird ermittelt, indem mehrere maßgebliche Banken täglich jenen Zinssatz angeben, zu dem sie sich untereinander unbesichert Kredite gewähren. Aus dem Durchschnitt errechnet der britische Bankenverband die Liborsätze.

80 % der Banken richten ihre eigenen Zinssätze danach. Wie hoch die Hypothekenzinsen für einen Bauern im Aargau liegen hängt genauso davon ab, wie die Preisfestsetzung bei Derivaten. Ein Kleinanleger, schreibt die NZZ, der sich mit Optionen gegen Kursverluste absichern will gehört damit schnell zu den Leidtragenden, wenn der Libor künstlich nach unten gedrückt ist. Selbst die Schweizerische Nationalbank orientiert sich an diesem Zinssatz, und nimmt damit direkten Einfluß auf das Wirschaftsgeschehen, und die Zahl der Kalkulationen, in denen der Libor eine Rolle spielt, ist kaum abzugrenzen. Rückgängig kann da nichts mehr gemacht werden, alles ist viel zu verflochten.

Bisher ist nur nachgewiesen, daß es bei Franken und Yen zu Manipulationen gekommen ist. Nicht beim Dollar. Wobei die Schweizer Nationalbank davon spricht, daß das vermutlich wenig reale Auswirkungen gehabt hätte. Und letztlich müßten die Banken ja auch dafür geradestehen. Die Untersuchungen, die die Zusammenhänge untersuchen, laufen voraussichtlich noch sechs Monate. Japan hat viel schärfer reagiert, und der schweizer RBS-Bank mit Handelsbann oder gar Entzug der Bankenlizenz gedroht. Soweit zu Schweiz und Japan.

Daß britische und schottische Banken involviert waren steht bereits fest, daß die Deutsche Bank das gleiche tat, scheint nachgewiesen. Weil auf diesem Libor aber kaum reale Geschäfte zwischen den Banken gegründet waren - fast immer liegen solchen Geschäften reale Geschehen aus der Wirtschaft zugrunde - lud er, schreibt die FAZ, zur Manipulation regelrecht ein. Deshalb hat die Bankenaufsicht der Länder diese Libor-Vereinbarungen auch kaum ernstgenommen. Niemand bei den Banken nahm die Kontrollen ernst.

Wozu also war das gut? Zu weit mehr, als den staatlichen Kontrololorganen bewußt war. Mit Manipulationen nach unten haben sie ihre wirtschaftliche Lage besser dargestellt, als sie war. Mit unten/oben-Bewegungen mit Geschäften viel Geld verdient. Und zwar so:

Derivatenhändler haben auf die Kursentwicklung dieses Libor gewettet. Mit Termingeschäften etwa, einem Vertrag, zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft zu bestimmten Zinsen Geld zu kaufen oder zu verkaufen. Um das Geschäft deppensicher zu machen, haben diese Händler mit den Banken Vereinbarungen getroffen. Daraufhin sprachen sich die Libor-Manager der Banken untereinander ab. In einem Geben und Nehmen - mal half der eine, mal der andere. Selbst Broker (Wertpaperhändler) wurden bestochen, um anderen Banken niedrigere Zinssätze bekanntzugeben, als real erzielt wurden.

2000 solcher Manipulationen zwischen 2005 und 2012 sind bereits nachgewiesen. Nur bei der UBS. Welches Ausmaß das erreicht hat, in welchen Dimensionen sich das bewegt, zeigt ein konkreter Fall eines der "Stars" dieser Art von Geschäften, der Schweizer Tom Hayes, der in Tokyo saß und seiner Bank hunderte Millionen verdient hat. Er hatte nur in diesem einen Deal den Libor um lediglich 0,01 Prozent bewegen müssen, um 459.000 Dollar einzustreifen.

Hierorts soll es vor allem zwischen französischen und deutschen Bankern zu solchen Absprachen gekommen sein. Christian Bittar, schreibt die FAZ, war einer der Stars. Man nannte ihn sogar "Rainmaker", Regenmacher. In nur einem Jahr hat er der Deutschen Bank 500 Millionen Euro eingespielt. Er war Teil eines regelrechten "Rings" an Beteiligten in Deutschland und Frankreich, die sich die Vorteile gegenseitig zuschoben, und ihren Banken damit viel Geld einbrachten. Ihr privater Vorteil? Saftige Prämien, die vielgeliebten Boni. Die hauptsächlich Geschädigten?

In London sollen das angeblich alle Banken gemacht haben, es war dort Usus. Und hier hat es bereits ernste Konsequenzen gegeben. Wie viel die Führung der Deutschen Bank davon gewußt hat, ist Teil der Untersuchungen.

Die direkt Geschädigten sind alle jene, die mit solchen komplexen Wertpapieren spekuliert haben. Darunter amerikanische Fondsgesellschaften und Kommunen. Die nämlich nun klagen wollen, und man gibt ihnen gute Chancen. Wieweit Nehmer von Hypothekarkrediten klagen werden, ist noch nicht absehbar. Zumindest würde so ein Prozeß Richtlinie für allfällige weitere Vergleiche sein können. Denn es würde sich für kleinere Kreditnehmer kaum lohnen: die Einzelfälle sind betragsmäßig zu klein, um sich gegen die zu erwartenden Prozeßkosten gegengerechnet zu lohnen. Bei Kommunen oder z. B. Reedereien (Schiffskredite), die sich womöglich noch gegen Zinssatzveränderungen abgesichert haben. Genau diese vielen vielen Nehmer von Kleinkrediten aber, die sich weltweit zu gigantischen Summen addieren, mit denen hier geschachert wurde, sind die wirklichen Geschädigten.

Aber die Nachweisführung zur exakten Ermittlung des Schadens ist kompliziert und oft nur schwer durchführbar. Und hat nur Aussicht auf Erfolg bei direkten Schädigungen. Indirekte Auswirkungen sind nicht klagbar. Wer also ein Produkt kauft, dessen Verkaufspreis durch Kartellbildung (darum handelt es sich ja hier) auch nur eines Teiles des Marktes künstlich höher liegt, hat in Deutschland zumindest nur dann Anrecht auf Schadenersatz, wenn er direkt bei einem in das Kartell involvierten Verkäufer gekauft hat. Schäden, die sich durch den generell höheren Marktpreis ergeben, sind nicht mehr einklagbar.





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