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Sonntag, 31. März 2013

Sinnlose Opfer

Das Entsetzliche des Ersten und Zweiten Weltkrieges, das bis heute ungebrochen nachwirkt, ist der kaum faßliche Umstand, daß die unermeßlichen Opfer - in ihrem Gesamtrahmen umsonst waren. Sie waren keine Opfer, die Neues gestiftet haben (oder hätten), das sollte nur wortreich verhüllt werden, das sollten nur alle glauben. Weshalb die Luft voll mit Worten war. Im besonderen im Zweiten Weltkrieg, der mit Gewalt der Sinnlosigkeit des ersten doch noch Sinn abpressen, aufdrücken, durch Erfindung hinzufügen wollte.  Durch noch mehr Blut diese stiftende Wirkung des Blutes umso vehementer erzwingen wollte.

Diese beiden Kriege, die insofern also einer waren, engstens zusammenhängen, haben nur zerstört, und Chaos hinterlassen. Die alte Ordnung wurde sinnlos, ja im kindischen Rausch der Langeweile, der die Technikbegeisterung entspringt (als Berauschen an Abläufen denen gar kein Sinn vorausgeht, bestenfalls hinterdrein zugeschoben wird), vertan.

Es ist nicht das Blut, das stiftet. Das Blut ist nur nicht zu scheuende Konsequenz der Ernsthaftigkeit des Sinns der Selbsthingabe, nur insofern ist es notwendig. Und nur insofern ist es fruchtbar. Es ist aber immer schweren Herzens gegeben, weil ein Kostbares hingegeben wird. Selbstisch gegeben, wird Blut lediglich zur Selbstvernichtung.

Genau zu dieser Selbsthingabe aber fehlte ... die Opferbereitschaft. Kein Mensch glaubte 1914 (übrigens: auch später Hitler*), daß man etwas verlieren könnte, daß das eigene Handeln ernsthafte Konsequenzen haben könnte. Als man merkte, daß das sinnlos losgetretene Unterfangen alles Bestehende in die Vernichtung mitriß, gab es zu wenige Märtyrer, die um der Ordnung willen das Ruder packten, und herumzureißen versuchten, die DAFÜR ihr Leben opferten. So sehr die Endphase des Ersten Krieges für Österreich** diesen Charakter - in einer schicksalshaften Wendung - annahm, mehr noch als anderswo begriffen wurde.***

Auf dem Boden der Sinnlosigkeit des Ersten Weltkriegs, der doch so gravierende Folgen hatte, war der Zweite Krieg ein Verführung zum (nachträglichen) Sinn, zur Täuschung über einen Sinn. Deutlich erkennbar am Tempo, dessen sich dieser Krieg befleißigte, in dem genau (auf technischer Basis) diese Frage übersprungen werden sollte. In der seither die Ereignisse sich überschlagen - wir leben seither nicht mehr, wir werden gelebt. Weil dieses Opferblut, dieses Blut der Stifter fehlt. Und da, wo es als Opferblut geflossen ist, in bösartiger Verweigerung der Nachwelt, die in Wahrheit die tote Vorwelt ist, nicht auf den Schild gehoben wird, von wo es fruchtbar werden könnte.

Denn es gab und gibt auch in dieser Zeit das Opferblut. Aber es wird verborgen, neidvoll verleumdet. Das zeigt am deutlichsten, daß wir nicht im Geist des Lebens stehen. Daß uns wie in der Zeit vor 1914 ein blinder, irrationaler Wunsch nach Revolution beherrscht, als sichtbarstes Zeichen der Verweigerung des wirklichen Opferblutes, das uns auferlegt wäre, um Zeit zu schaffen, die Zukunft trägt.





*Aus mehrfachen Erzählungen ist überliefert, auch J. C. Fest schreibt darüber, daß Hitler sich wie ein Kind in der Sandkiste, am Bildschirm seiner Spielkonsole, verhielt. Er war tief schockiert, konnte das Ereignis gar nicht einordnen, irrte sich auch in der Gewichtung, als England auf den Einmarsch in Polen mit Krieg reagierte.

**Wenn man nach dem Geheimnis der Seligkeit Kaiser Karls, des letzten österreichischen Kaisers und Königs von Ungarn, sucht, dann läßt es sich am gewissesten dort finden.

***Woraus sich die enorme geistige Produktivität der Zwischenkriegszeit erklärt, wie sie über Film und Philosophie (Wiener Schule) die ganze Welt durchwirkte. Nur Österreich, das im Blut wirkliches Opferblut vergoss, hatte deshalb wenigstens ansatzweise Hitler widerstanden. Übrigens - vielfach unterschätzt, gilt Ähnliches von Ungarn. Nur wer sich opfert, der stiftet auch.






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