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Dienstag, 12. März 2013

Spielplatzwelt (2)

 Teil 2) Alles hängt an denen, die ihr Tun erstnehmen




Selbst in der Religion ist genau das zu beobachten - wehe jenen, die wirklich ernstnehmen, worüber sich doch bei Kaffee und Kuchen so nett plaudern läßt, und alle sich dann liebhaben. Sich in Jean und Schlabberpulli zur Messe, der Versammlung der vollkommenen Welt setzt, und mit den anderen so tut, als würde passieren, was passieren sollte, um die Illusion aufrechtzuhalten, ohne auch nur eine Zelle Wirklichkeit in uns zu verlangen. Denn wehe, das Heilige dort sollte im Ernst des Wirklichen wirklich verlangen, was das Heilige verlangt.

Man hat heute und überall Angst vor den Wirklichen, Angst vor denen, die ihr Tun ernstnehmen. So wachsen ganze Generationen von Fehlgeleiteten heran, die einerseits von allen Seiten, und nicht zuletzt durch existentielle Absicherung als Fernhalten des Wirklichen, in einer Sphäre des Spiels gehalten werden, anderseits aber mit diesem Anspruch, ihr Spiel sei Ernst, in die Welt hinaustreten.

Wir müssen die Wirklichkeit nicht mehr tragen. Nichts wirkt sich mehr aus, und wenn, ist der Sozialstaat zuständig, die Folgen meines Tuns, meines Lebensernstes, ins Spiel zu heben. So wird unser alltägliches Gefüge von menschlichen Gestalten zum Treffen von spielenden Kindern, die sich "so benehmen wie", und wissen, daß sie es doch nie müssen. Deren Werke deshalb auch nur "so aussehen wie", und es doch nicht sind. So, wie sich eben Kinder verhalten.

Wen wundert es also, wenn wir einander gar nicht mehr ernst nehmen? Abertausende, Millionen ihre "Meinungen" in die Welt setzen, aber sie niemand ernst nimmt? Weil diese Meinungen ja nie ernst waren, nur Täuschungen, so wie Kinder einander etwas vormachen. Im Spiel per Twitter Botschaften verschicken, deren rein physische Erscheinung schon ihre Vorläufigkeit zur Kenntnis bringt. Denn im Spiel da genügt der Schein!

Dabei besteht unser ganzes System nur deshalb, weil es noch Menschen gibt, die ihr Tun ernstnehmen, die aus dem Spiel heraus zum Leben selbst gekommen sind. Die nicht zufrieden sind mit dem "so tun als ob". Sie sind die Spielverderber, und wir haben zahllose Mechanismen, sie zu eliminieren, sie auszuschalten, und doch so in der Pflicht zu halten, daß wir unser Spiel weiterführen können.

Der Unterschied von Amateur zu Professionist ist nicht in der Tätigkeit, nicht einmal in der Fertigkeit zu suchen, so sehr eins ins andere geht. Er liegt ausschließlich im Stellenwert, den ein Mensch seinem Tun beimißt. Nur dort, und wirklich: nur dort, wo das Tun existentiell wird, Ernst wird, an dem die eigene Existenz real hängt, wird es zum Beruf. Beginnt die Tätigkeit auch das Persönlichkeitsprofil zu prägen, wird die Tätigkeit zum Gegenüber, an dem ein Mensch sich formt, auf das hin er wird. Und es entsteht DER Schuster, DER Künstler, DER Professor, DER Schneider und Mechaniker und Holzhändler und Gatte und Vater und Mutter und Bruder und Freund.

Jeder sollte seine Eingangstüre reparieren können, aber es bleibt ihm noch der Garant im Tischler. Jeder sollte kochen können, aber es bleibt der Koch, an dem Maß zu nehmen möglich ist und der im Ernst einspringt.

Dichten soll und kann jeder, aber er kann es nur so unbeschwert und als Spiel, weil es den Dichter gibt. Schauspielen kann jeder, aber Schauspieler ist nur, wem es lebensernst ist. Philosophieren kann und soll jeder (zu seiner Zeit), aber nur der hat Gedankentiefe, dem es beim Denken selbst ums Leben geht, nur er denkt wirklich, entwickelt überhaupt ein Denken.

Nur aus der Gabe freier Hingabe erwächst Tüchtigkeit, Tugend, Tauglichkeit. Wer Unerhörtes vollbringen will, wird es nie aus einem Amt heraus tun, bestenfalls TROTZ des Amtes. Wer innerlich nur im Amt bleibt, wird unernsthaft, gar überheblich: die Krankenschwester, die die Mutter, der Lehrer, der die Eltern, der Polizist, der das Rechtsempfinden der Bürger verachtet. Spätestens dann wird ihr Amt zum Laster. In den Serenissimi, den Mandarinen, in den Intellektuellen, schreibt Rosenstock-Huessy, haben wir jene schrecklichen Spielformen, denen der Rückweg in die Lebensmitte verloren gegangen ist.

Und in so einer Spielzeugwelt werden auch die falschen gesellschaftlichen Kräfte gestärkt. Die Beamten stärken die Pseudoforschung, die Pseudokunst, die Pseudotätigen.

Aber es sind genau die immer weniger Werdenden, an denen diese Welt aber überhaupt noch hängt. Und es sind jene Motive all jener vielen, die in Wahrheit um dieses Spiel wissen. Aber so wie alle nur so tun, als spielten sie mit. Ja, die sie gar nicht kennen wollen. Sie sind es aber, die ernsten Motive, die diese Welt lenken. Die zwar um das Spiel wissen, aber auch wissen, daß es Spiel nur auf Sonderplätzen und -zeiten gibt und geben darf, damit es seine Frische im Probieren von Neuem bewahrt. Nicht als gesellschaftliches Gesamtklima, dem das Entscheidende fehlt: der Schritt vom Spiel zum Ernst in der Feier, in der Liturgie, im Heiligenden, Heilenden des Heiligen.







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