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Montag, 11. März 2013

Spielplatzwelt (1)

In der Profession, schreibt Rosenstock-Huessy, hat die Gesellschaft ihre Garantie, daß ihre Spiele einen Bürgen haben, auf den sie Bezug nehmen können. Einer ist da, der dieses oder jenes Tun - das alle könnten! - ernstnimmt! Der es zur Reinform bringt, als Vorlage für alle anderen. 

Keine Tätigkeit, die nicht jeder ausüben könnte. Aber für den Nicht-Professionisten bleibt es Spiel. Jederzeit abbrechbar, und als Spiel ist im Tun jederzeit Form und Inhalt auseinanderzureißen. Ja, das Kinderspiel zeigt, daß es zum Wesen des Spiels gehört, Form und Inhalt beliebig, willkürlich zu trennen.

"Sagen wir, ich wäre der Vater, und Du die Mutter." "Sagen wir, ich wäre der Polizist, und Du der Räuber."

So erfaßt man eine Charakteristik unserer Zeit, die aufs erste verblüfft. Denn wir sind aus dem 19. Jhd. herausgeschossen - in eine Haltung des Spiels! Was wir nicht mehr können ist, das Spiel vom Ernst des Lebens - das die Elemente in die Wirklichkeit hebt, die im Spiel erprobt wurden (selbst Tiere spielen) - zu trennen. Es gibt keine Zeiten des Spiels mehr, aus deren Schwung dann der Ernst des Lebens genährt wird.

Es gibt heute nur noch Spiel. Nichts ist mehr ernst, alle Konsequenzen wurden eliminert, alles ist wieder beginnbar. Aber das Leben selbst ist nicht wiederholbar, es bleibt nicht ohne Folgen, es ist einmalig.

In so einer Zeit ist es deshalb überhaupt kein Wunder, daß sich ALLE zum Künstler berufen fühlen (und es keiner mehr ist). Daß Fernsehsendungen die Illusion nähren, daß jeder Künstler (oder autoritative Person auf gewisser Ebene - der "Populäre" hat den "Berühmten" ersetzt) sein könnte. Es ist kein Wunder, daß die Grundinstrumente unseres heutigen Alltags - vom iPad bis zu Facebook - Instrumente sind, die unseren Lebensernst relativieren, aufheben. Keine Entscheidung muß mehr getroffen werden, jede ist widerrufbar, jederzeit abänderbar. Wobei sogar die ursprüngliche Verwendung des Computers im Alltag - Spiel war, also alles erzählt! 

Und es zeigt sich im Wesen des Studierens, das reines Spiel sein muß, Formenprobe. Aber niemals "Ausbildung" zum Beruf, die es in dieser Form ohnehin nicht sein kann. deshalb zur Geringschätzung der Berufswelt überhaupt führt (was sich deutlich im Alltag der Berufe zeigt). Denn seine Inhalte versiegen, werden unfruchtbar, wenn sie von den Studierenden selbst ernstgenommen werden. Und können sich anschließend nur durchsetzen, wenn man die Welt zwingt, die Spielbedingungen aufrechtzuhalten.  Denn im Spiel - und in dieser Tatsache leuchtet viel auf - erspart sich der Spielende die Reflexion, die Verantwortung. Das Amt, die Zuteilung einer Funktion im Spiel, ersetzt sie.

Auch damit, genau damit haben wir es ja zu tun: Mit einer Welt, in der nie erwachsen, ernst gewordene Kinder der Welt ihre Spielregeln aufzwingen wollen, und Zeugnisse und Zertifikate - "objektive Kriterien" - die Persönlichkeit, die es nur in der Spannung der Wirklichkeit gibt, ersetzen sollen. In der Fachleute Funktionäre einsetzen. Doch von dort kann nie Erneuerung kommen. Die kommt nur aus dem Blutvollen der wirklichen Erfahrung, des existentiellen Wollens.

Sämtliche herausragenden Reformpolitiker kamen von unten, aus Nicht-Fachkreisen, aus der Verschworenheit ins Tun. Lincoln, Roosevelt, Wilson, aber selbst Negativfiguren wie Napoleon oder Hitler, Lenin oder Mao Dsedong. Berufspolitiker sind das Schlimmste, was einem Volk passieren kann. Daran muß es ersticken. Bismarck hat prophezeit, daß es mit dem Reich zu Ende sein werde, wenn einmal ein "in der Ochsentour heraufgedienter Geheimrat" Kanzler werde.

Wehe also, man nimmt das Spiel, in dem sich heute alle zu befinden meinen, als Lebensernst! Wehe, man sagt die Wahrheit und zweifelt ihren Lebensernst an, der doch nie mehr als Spiel war. Genau so, und von genau solchen Personen, werden wir mittlerweile regiert und bestimmt, die fürchten, daß ihre Unernsthaftigkeit aufgedeckt wird. Wehe deshalb jenen, die doch tatsächlich der Welt und ihrem Tun Ernst beimessen.




Teil 2 morgen) Alles hängt an denen, die ihr Tun erstnehmen






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