Der Schauspieler Egon Marknagel, in "Heute bei Laura" (TV66)
L: Wie sehen Sie den Papst?
"Also aufs erste Hingucken bin ich mal irritiert, muß ich schon sagen. Als damals der Ratzinger ans Ruder kam, hatte man den Eindruck: der Mann hat uns was zu sagen, und daß man den zum Papst gemacht hat, war nur das Entkorken einer vollen Flasche, um es so zu sagen. Der hat die Zeit durchschaut, der hat ihre tiefen Wurzeln durchschaut, der weiß was er sagt.
Es gibt ja sowas wie eine spezifische Wahrheit des ersten Moments. Wenn das Bisherige und das Neue aufeinanderprallen. Da zeigt sich immer eine Tendenz, die sich jetzt allmählich abschleift, weil sich alles zueinanderentwickelt. Deshalb zeigt sich schon im allerersten Moment, was kommt. Der erste Eindruck ist selten falsch, oft sogar der überhaupt richtige. Ich wehre mich auch nicht einmal gegen die Irritiertheit, im Gegenteil, darin kann viel Positives liegen.
Denn da stockt mir momentan ein bißchen der Atem, wenn ich mir diesen neuen Papst anschaue. Was soll das, frage ich mich? Das sind derartig banale Allerweltsweisheiten, die der von sich gibt, das kann es doch nicht sein? Was ist das, was da auf Verwirklichung gewartet hat? Daß wir alle lieb sein sollen, daß Haß böse ist? Daß wir alle mit den Armen solidarisch sein sollen? Daß wir alle dienen sollen? Muß nicht jeder dienen als das, was er ist? So habe ich das jedenfalls immer verstanden.
Es ist ein Unterschied, ob ich als Schweißer, Kunsttischler oder Bundespräsident diene, oder ob ich so tue, als müßten jetzt alle den Beruf des Dieners ergreifen. Ich diene dann, wenn ich gehorsam das mit Liebe und Gerechtigkeit erfülle, was ich dem Amt oder der Stellung die ich habe schuldig bin. Aber doch nicht indem ich so tue, als wäre das Amt eh nichts wert, Hauptsache wir sind lieb zueinander. Was soll das heißen: Demut bringt Stärke? Tschuldigung, das klingt wie ein verschwommenes Zitat eines Esoterikers, der sich mit solchen Sprüchen aufputscht. Wenn, dann bringt Demut die Stärke des Amts, der Position, die deshalb stark zum Vorschein kommt. Aber meine? Mein ich wird schwach, weil es vergehen muß, das muß mir schon klar sein. Was ist Demut - ohne Amt und Beruf? Sie bezieht sich ja darauf! Also muß ich mich fragen, was geht mit meinem Beruf einher, um DAS dann im Vordergrund stehen zu lassen. Wie ich mich dabei fühle ist egal.
L: Aber ist es nicht gerade die Einfachheit, die an ihm so besticht?
Also wenn wir nicht mehr zwischen einfach und banal unterscheiden dürfen, dann sage ich lieber nix mehr.
Tschuldigung, klar, das ist nicht falsch. Aber das war's? Darauf haben wir alle gewartet? Es ist eine Sache, nichts Falsches zu sagen, aber etwas Richtiges zu sagen, das der Welt zeigt, wo's langgeht, das sie ins Mark trifft, ist etwas ganz anderes. Da erweist es sich. Ich habe wie ich vorhin erklärt habe die begründete Befürchtung, daß uns jetzt Jahre bevorstehen, in denen sich zeigen wird, daß hinter diesem ganzen neuen Kirchenbild, mit dem wir seit den 70iger Jahren konfrontiert sind, und das ich so satt habe, weil es so banal ist, überhaupt kein Geist steht. Die Wahrheit über diese ganzen Kirchenlinken ist doch, daß sie nie etwas zu sagen hatten. Wenn jetzt behauptet wird, daß das die eigentliche Botschaft ist, die hinter der Kirche steckt, dann frage ich mich wirklich, ob ich nicht im falschen Film bin. Denn das was ich sehe, ist ganz ganz anders.
L: Aber hat nicht auch der Heilige Franz von Assisi diese Einfachheit gepredigt, um damit die Kirche zu retten?
Jein. Man kann den Heiligen Franz nur verstehen, behaupte ich, wenn man ihn als Ergänzung sieht, als notwendige Korrektur, als Pol. Aber seine eigentliche Botschaft ist ja gar nicht, nichts zu besitzen, sondern sich nicht am Besitz festzuklammern, weil er einem das Leben eher nimmt als gibt. Armut ist ja eine Haltung, eine Sterbehaltung, wenn Sie so wollen, und die fehlt uns ganz sicher, aber sie ist doch nicht die empörte Feststellung, daß man mehr Geld verdient hätte. Die Anfrage, die ich im Hl. Franz sehe ist doch die, daß wir in der Armut einen tiefen Sinn sehen müssen, sodaß sie sogar zu einem Privileg werden kann - und zwar wirklich, nicht als schwächlicher Trost. Das sehe ich im Heiligen Franz. Aber nicht die Behauptung, sie sei prinzipiell ungerecht, warum überhaupt?, und deshalb habe ich ein Recht darauf, daß die anderen sie beseitigen. Das mag für uns Europäer zynisch klingen, aber das ist es nicht. Aber Armut hier, und Wohlstand dort, heißt nicht einfach Ungerechtigkeit. Auch nicht in der Dritten Welt.
Wir Europäer haben eben eine tausendjährige Geschichte, in der wir die Welt gestaltet haben, und weil wir immer einer am anderen aufgebaut haben, kam sowas wie Wohlstand heraus. Den ich aus ganz anderen gründen verkehrt finde - nämlich weil er eine Lüge ist. Aber das ist etwas ganz anderes. Lateinamerika hat aber eine noch recht junge und ganz andere Geschichte. Vor 200 Jahren sah es bei uns auch nicht viel anders aus als heute dort. Die müssen aber erst lernen was es heißt, eine feste, tragfähige Kultur aufzubauen die mehr ist als ein etwas gesetzloseres Europa, an das ich mich im Notfall immer noch wenden kann. Und das muß von den Menschen ausgehen. Mit bloßen Gefühlen, daß ich ein Recht auf etwas hätte, kommt man da nicht weiter. Das liefert nur sinnlose Revolutionen. Venezuela sollte uns zu denken geben, da hat einfach ein Pubertierender geglaubt, er wisse wo es langgeht. Eines der reichsten Länder der Welt ist heute pleite.
L: Sie sehen also die Wahl eines Argentiniers als Fehler?
Das kann ich so nicht sagen. Ich bin ja Katholik, und ich glaube an die Wirklichkeit des Heiligen Geistes, und ich glaube an die Unüberwindlichkeit und Wahrheit der Kirche. Der wird schon gewußt haben, warum wir nach einem so weisen Mann nun einen naiven Ghettopfarrer bekommen haben. Wir waren sicher zu bequem, und vielleicht müssen wir jetzt lernen, daß Glaube etwas Persönliches ist, und daß wir uns dazu selbst auf die Füße stellen müssen, Papst hin und Papst her. Denn die Frage nach der Wahrheit und der Ethik des Moments, in dem ich stehe, nimmt mir sowieso kein Papst ab. Der kann mir nur Hilfe sein, die Prinzipien der Wahrheitsprüfung immer wieder nachzujustieren. Das ist ja die Frage: was ist die Liebe in dem oder dem Augenblick? Mein konkretes Handeln hängt doch davon ab, ALS WAS ich jemandem begegne. Soll jetzt der Hauptmann nicht mehr befehlen, weil er katholisch geworden ist? Der Firmenchef nicht mehr kalkulieren? Darf der Tischler jetzt auch seinen Stuhl etwas schlampiger machen, weil er sich auf Barmherzigkeit beruft? Die Eltern nicht mehr ihre Kinder maßregeln, weil sie sie ja lieben?"
Teil 2 morgen) Man lügt am besten, indem man nix Falsches sagt
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