1961 gab es in Deutschland, bei 1,100.000 Neugeborenen pro Jahr, pro Jahr 77.000 Familienverfahren (Scheidungs-, Obsorgeprozesse etc.), die 20.000 Anwälte beschäftigten.
2010 waren es bei 660.000 Neugeborenen 690.000 Familienverfahren, bei 140.000 Anwälten.
Das amtliche deutsche Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hat 2012 ermittelt, daß 67 % der deutschen männlichen Singles keine Kinder wollen.
Berücksichtigt man die gestiegene Lebenserwartung, so hat Deutschland bereits seit 1880 (sic!) ein Geburtenniveau, das UNTER der Bestandserhaltung liegt. Seit jener Zeit also, in der das Land technologisch "aufholte" und sich binnen weniger Jahrzehnte zum führenden Industrieland entwickelte. Der Anstieg der absoluten Bevölkerungszahl Deutschlands verdankt sich also ausschließlich der gestiegenen Lebenserwartung.*
Die Entwicklung erfolgte von zwei Richtungen her: die Anzahl der Familien mit drei und mehr Kindern ist zuerst und konstant gesunken, während die Anzahl der Frauen ohne Kinder, mit zeitlicher Verzögerung darauf folgend, deutlich gestiegen ist. Gleichzeitig hat sich das Durchschnittsalter der Gebärenden von 25 auf 35 Jahre verschoben.
1850 betrug die Nichtehelichenquote bei Kindern 12,5 %. 1966 betrug sie historisch einmalig niedrige 5,7 %. 2010 war diese Zahl aber bereits auf 33,3 % gestiegen, mit enormen Unterschieden zwischen West- und Ostdeutschland: 27 % stehen da gegen 61 %.
Frauen, geboren zwischen 1965 und 1969, leben heute zu 21,7 % in Singlehaushalten, zu 69 % leben sie mit einem Ehepartner. Nach beruflicher Qualifikation untersucht stellt sich heraus, daß diese kaum einen Einfluß bildet. Unterschiede finden sich allerdings zwischen West und Ostdeutschland: Alleinstehende Frauen ohne Kinder sind im Osten doppelt so häufig. Gleichfalls häufiger findet sich dort die Ein-Kind-Familie, während im Westen zwei Kinder überwiegen.
Anders bei den jüngeren Generationen: hier ist der Rückgang der Fertilität vor allem bei Frauen mit höherer Bildung auffällig. Während bei niedrigerem Bildungsstand die Anzahl der Kinder pro Frau deutlich weniger zurückgegangen ist. Der Rückgang der durchschnittlichen Fertilität ist also zu einem Teil zumindest durch die gestiegene Anzahl von Frauen mit höherer Bildung erklärbar. Wobei auffällt, daß der Wunsch nach Kindern bei dieser Frauengruppe höher ist als die realisierte Zahl ausweist. Fast ein Drittel dieser Frauen bleibt überhaupt ohne Kinder. Die durchschnittliche Kinderzahl bei Frauen mit Hochschulabschluß liegt bei 1,29, bei Frauen ohne Berufsabschluß bei 1,78.
Deutlich anders die Situation bei Frauen unter 30 Jahren generell: fast die Hälfte (43 %) lebt alleine und ohne Kinder, nur 18 % dieser Frauengruppe sind verheiratet. Je rund 20 % der Frauen leben in "bilokalen" Beziehungen, oder in nichtehelichen Paarbeziehungen. "Bilokale" Beziehungen unterscheiden sich hinsichtlich Kinderwunsch und Fertilität aber nur geringfügig hinsichtlich Kinderwunsch und Fertilität von Singles.
Eindeutig höher liegt die Kinderzahl bei ehelichen Gemeinschaften: 1,73 Kinder hier, 1,1 dort. Steigende Kinderzahl steht ferner in deutlicher Korelation zu Ehe - als Wunsch, wie realisiert.
Fast 80 % der Männer in der Altersgruppe 30-39 Jahre, die alleine leben, bei Frauen sind das 49 %, wollen keine Kinder. "Bilokal" sind die Zahlen noch höher: 84 % gegen 56 %.
Ganz eindeutig ist festzustellen, daß die Kinderlosigkeit bei Frauen mit Migrationshintergrund wesentlich niedriger liegt, als bei solchen ohne. In den Geburtenjahrgängen 1965-69 beträgt dieses Verhältnis 13 zu 24 %. Gleiczeitig ist bei Frauen mit Migrationshintergrund die hohe Zahl an 3 und mehr Geburten auffällig: er beträgt über 27 %. Nach Herkunftsländern unterschieden, fallen vor allem türkische Frauen dabei auf. Nur 6,3 % von ihnen sind kinderlos, 50 % dieser Frauen haben 3 und mehr Kinder.
Je höher die Institutionalisierung der Lebensgemeinschaft, so die Studie, desto höher die Kinderzahl und desto höher der Kinderwunsch - diese Aussage trifft die Studie definitiv.
Mit einer Besonderheit in der gesamteuropäischen Gesamtaussage: Denn es findet sich auch eine Korrelation zwischen der Anzahl der außerehelichen Kinder und der durchschnittlichen Fertilitätsrate. Was kein Widerspruch zu obiger Aussage ist, betrachtet an die Rolle von Abtreibung und Verhütung. So, wie sich gesamteuropäisch auch ein negativer faktischer Zusammenhang zwischen Heiratsneigung und Kinderwunsch zeigt. Was auf ein Auseinanderklaffen zwischen der Realität der Institutionalisierung - und dem Wunsch nach einer solchen schließen lassen sollte.
Je höher der Ausbildungsstand, desto niedriger aber die Fertilität. Sodaß man den Satz formulieren kann: Verheiratete Frauen mit niedriger Bildung sind extrem selten kinderlos (7 %), während Frauen mit höherer Bildung die alleine leben überwiegend kinderlos sind (57 %).
Entsprechend auffallend ist somit auch die Korrelation zwischen Universitätsstädten und niedrigerer Fertilität. Aber auch prinzipiell zeigt sich ein Zusammenhang zwischen dem steigendem Alter der Frauen bei Erstgeburten und städtischem Lebensumfeld: spätere Geburten, und geringere Gesamtkinderzahl stehen in Zusammenhang mit Großstädten, obwohl dort die Infrastruktur deutlich dichter und "besser" ist. Während ländliche Gebiete durch die Abwanderung, den Sog der Großstädte leiden.
Betrachtet man die Untersuchungen über die Einstellung der Menschen, so fällt auf, daß ein Sprung stattfindet, sobald sich Menschen zu Ehe oder Kindern entschieden haben. Die Lebensinteressen und -wünsche werden dann schlagartig familienkonzentriert, Beruf und Freundeskreis oder das Hobby verliert an Wichtigkeit.
Die Studie führt an, daß bemerkenswerterweise vor allem die Familie "an sich" als wichtig gesehen wird, der Wunsch nach mehr Kindern oder anderen nennbaren Konkretionen spielt nur geringere Rolle, Kinder für sich werden bemerkenswert selten (45 %) als Quelle von Lebensfreude und -zufriedenheit angesehen. Mit Gewichtungsüberhang bei Frauen, verglichen mit Männern.
In diesem Punkt zeigen sich europaweit beachtliche Unterschiede: In Frankreich meinen zum Beispiel rund 75 %, in Ungarn gar 80 % der Kinderlosen, daß dies der Fall wäre. Österreich liegt hier bei rund 55 %. Und dazu verglichen ist die Aussage interessant, die sich ergab, als die Frage erhoben wurde, ob Menschen sich eine Steigerung des Ansehens erwarteten, wenn sie Kinder hätten: In Österreich, Belgien und Deutschland sind das nur etwa 15 %. In Ungarn und Frankreich immerhin über 30 %.
Auffallend noch, daß in Frankreich, Ungarn, Österreich und Deutschland eine Zahl annähernd gleich ist: Befragt, ob Kleinkinder unter einer Berufstätigkeit der Mütter leiden würden, antworten die Menschen zu über 60 % mit "ja".
Und noch etwas ist auffallend: An die 60 % der Deutschen betonen die Bedeutung des familiären Umfelds (Eltern etc.) für ihren Kinderwunsch. Außerfamililäre Einrichtungen wie Kindergärten etc. werden hier tendentiell von "Ost-"Familien als wichtiger angesehen.
*Unter dieser Hinsicht ergibt natürlich auch der Wunsch - eines der Ergebnisse der Studie - nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen Sinn, wenn auch anders, als oft gemeint wird. Denn der Schlüssel liegt zum einen in einem der Ergebnisse der Studie, zum anderen in Befunden über die Berufszufriedenheit, die von Jahr zu Jahr sinkt. Mit der Familie nämlich verschiebt sich der Lebensfokus, weg von der Ökonomie, der Welt der Zahlen, hin zum "Leben". Fehlt das, wird es zum erfahrbaren Mangel. Nicht also in einer weitergehenden Ökonomisierung der Familie liegt der Schlüssel (siehe dazu den jüngst erschienenen Artikel von Birgit Kelle), sondern in einem völlig anderen, einem menschlichen Fokus. Häufig wird unter "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" nämlich die Herstellung einer eierlegenden Wollmilchsau verstanden.
Wobei Kelle eine wichtige Unterscheidung leider nicht trifft: nämlich die, daß Familie und Ökonomie in gewisser Hinsicht tatsächlich gar nicht getrennt werden sollen, ja dürfen. Das Problem entsteht dort, wo wie heute Beruf und Arbeit in diesem Ausmaß technisiert und arbeitsteilig wird, wo der Mensch nur noch als Faktor einer Ökonomiemaschinerie gesehen wird. Der Witz dabei ist: gerade weil die Politik versucht hat, ins leben zu greifen und das Leben zu steigern, hat sie diese Maschinerie, deren Ergebnis die Zerstörung des Lebens bewirkt, die alle Lebensabläufe längst gefangenhält, selbst zu verantworten.
Wobei Kelle eine wichtige Unterscheidung leider nicht trifft: nämlich die, daß Familie und Ökonomie in gewisser Hinsicht tatsächlich gar nicht getrennt werden sollen, ja dürfen. Das Problem entsteht dort, wo wie heute Beruf und Arbeit in diesem Ausmaß technisiert und arbeitsteilig wird, wo der Mensch nur noch als Faktor einer Ökonomiemaschinerie gesehen wird. Der Witz dabei ist: gerade weil die Politik versucht hat, ins leben zu greifen und das Leben zu steigern, hat sie diese Maschinerie, deren Ergebnis die Zerstörung des Lebens bewirkt, die alle Lebensabläufe längst gefangenhält, selbst zu verantworten.
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