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Mittwoch, 30. September 2015

Alle wollen fliehen. Nicht nur Syrer.

Dieses Video findet sich hier, weil es recht kompakt zeigt, was denn da so häufig gedacht wird. Und darin ist es höchst aufschlußreich. Nicht nur, weil es den großen Teil dessen, was die Menschen heute denken, meinen, glauben, als Nachläufer zur 68er-Bewegung erzeigt.

Da ist das eine oder andere durchaus "richtig" dargelegt. Doch wird es von den nächsten Forderungen bereits wieder konterkarriert: Die 68er lehnen nämlich auch die Lösungen für die Probleme ab. Das macht sie tragisch, das macht sie aber auch gefährlich weil hirnlos. Aber modern. Denn es ist Flucht, nicht mehr und nicht weniger, als Kollektivsymptom. Als Ablehnung des Seins (und damit von allem, was den Menschen und die Welt überhaupt ausmacht) wird das "alles zerstören" dem Problemlösen vorgezogen, das Sein selbst zum Feind. Feind einer diffusen, emotionalen, widersprüchlichen Abwehrhaltung. Denn der Friede der solcherart entstehenden "Einung" ist der Scheinfriede des Nichts.

Aber es ist bei weitem nicht genug, Dinge als "an sich" oder "in sich" richtig oder falsch zu erkennen. Das ist ein ganz gefährlicher Irrtum. Denn Wahrheit, um die es geht, ist weit mehr als richtiges oder falsches rationales Summenziehen. Wahrheit und richtiges Handeln ist kein richtiges Vollziehen von Funktionen. Es ist eine lebendige Macht, die sich auf die Wirklichkeit von Welt und Mensch bezieht, weil diese konstituiert. Darin ist sie niemals ortlos, darin ist sie niemals zeitlos, weil reines Rechenbeispiel. Es ist persönliche, nur in eines jeweiligen Identität mit dem damit verknüpften Horizont gestellte Aufgabe. 

Deshalb bewirkt ein Überfluten der Menschen mit Sachfragen, mit dinghaften Problemen, niemals Besserung oder Lösung. Es bewirkt Verzweiflung, weil sich dem Menschen nur scheinbare Fragen stellen, die er selbst gar nie zu lösen imstande ist. Die Abwehr gegen das Sein ist deshalb ein gar nicht so falscher, zumindest sehr verständlicher Reflex auf die Spätfolgen der Aufklärung. Denn wenn das Sein nicht hierarchisch weil geordnet sondern alles nur rational vollziehbare Funktion ist, muß es jeden erdrücken.

Videos und die diesem zugrundeliegenden Haltungen sind deshalb eindeutig religiöser Natur, und Ergebnis kollektiver Denkverweigerung. Denn Denken hat NICHTS mit allen diesen Teilproblemen zu tun - wenn der Gesamthorizont ins Chthonische, Okkulte absinkt. Nur aus diesem könnte sich erweisen, ob und wie ein Problem einen Menschen überhaupt etwas angeht, überhaupt eine an ihn gestellte Anfrage ist. Solche Zusammenstellungen wie diese, die gar nicht so schlecht zu verschmelzen versuchen (man beachte die Musik!), sind wie der aus einem Opfer aufsteigende Rauch, in dem alles durch die Flamme verschmolzen wird, und als flehentliches Gebet an einen unbekannten Gott in den Himmel steigt. 

Heute wird nicht zu wenig gedacht, auch nicht das Falsche. Heute wird überhaupt nicht mehr gedacht, sondern nur so getan als dächte man, durch Verwendung vormaliger Denkmittel (wie Sprache, dieselben Worte etc.) Was der VdZ an dieser Stelle und an anderen schon vor langen  Jahren vorhergesagt hat, ist nämlich bereits eingetroffen. Die Menschen, und vor allem die jungen oder jüngeren Menschen, sind nicht mehr in der Lage zu denken. Denn ihre Begrifflichkeit, ihre Sprache, ihre Haltungen decken sich nicht nur nicht mehr mit der wirklichen Welt, sondern verfehlen sie nachgerade zwangsläufig, sind Gefangenheiten in Wertigkeiten, die das Wesen der Welt verfehlen. Das wird erlebt, denn das ist erfahrbar. Damit wird aber nicht mehr möglich, daß sich die Menschen auf der Vernunft selbst gründen wie erhalten. So wird aber das einzige, was die Not wenden könnte, zum Feind. Panik bricht aus. Denn das muß sie dann sein, die Apokalypse, die Ausgeliefertheit an Machtbewegungen, die niemand mehr beherrscht. Weil kein Gott.*

Wir leben deshalb in einer Welt der Flüchtlinge. Und diese Flucht ist es, das Europa zu einem Hafen der Einheit macht, zu einem Ort des Nichts, zu dem es alle hinzieht. Wir leben in einer Welt der kollektiven Flucht.








*Und so wird Nietzsches "Gott ist tot" erst verstehbar. Denn als Aussage über das Maß realer Präsenz der Wahrheit - nicht einer "Richtigkeit" - in unserer Kultur hat er es gemeint.






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